Neutralität Afghanistans möglich

■ Gorbatschow in einem L Unita–Interview zu Nicht–Einmischung bereit / Einbeziehung der Mudjaheddin in mögliche Konferenz zur Beendigung des Krieges in Afghanistan

Moskau (dpa/taz) - Wenn Afghanistan sich entscheide, ein neutrales Land zu werden, so sei dies eine Sache des afghanischen Volkes, sagte der sowjetische Parteichef Gorbatschow in einem Interview mit der italienischen kommunistischen Parteizeitung LUnita, das am Mittwoch auch in der Prawda erschien. Die Sowjetunion wolle sich nicht in den Prozeß der „Nationalen Aussöhnung“ einmischen, vielmehr sei es „eine zutiefst falsche Einschät zung“, daß die Sowjetunion Afghanistan in der sowjetischen „Einflußsphäre“ halten wolle. Die „afghanischen Genossen“ könnten sich die Partner für ihre Politik der Aussöhnung im eigenen Land, „unter den Flüchtlingen und Emigranten im Ausland oder vielleicht bei Ihnen in Italien“ suchen, erklärte der Kreml–Chef. Das wichtigste sei, auf dem Weg einer „ehrlichen und gerechten Regelung in Afghanistan“ vorwärtszukommen. Daß in Afghanistan bald entscheidende Schritte für eine politische Lösung des Konflikts in Gang kommen, berichtet auch die Times of India in Berufung auf Quellen aus dem ZK der KPdSU. Danach sei die UdSSR angeblich bereit, mit Vertretern der Mudjaheddin, der USA, der jetzigen Kabuler Regierung und Pakistans an einem Tisch über eine Beendigung des Krieges in Afghanistan zu verhandeln. Der Kreml werde seinen Vorschlag bald veröffentlichen. Eine solche Konferenz unter Einbeziehung des afghanischen Widerstands würde eine Abkehr von der bisherigen Position Moskaus bedeuten. Denn bei den bisherigen Verhandlungen über den Afghanistankonflikt, die im Rahmen der Vereinten Nationen in Genf stattfanden, saßen die Mudjaheddin nur vermittels der pakistanischen Regierung mit am Tisch. Direkte Verhandlungen würden die Modalitäten über den sowjetischen Truppenrückzug und die Vorbereitung von Wahlen für eine Verfassungsgebende Versammlung zum Gegenstand haben. er