Zwangstest für WG–Männer

■ Berliner Jugendamt verklagt mutmaßliche Erzeuger zweier Kinder auf Vaterschaftsfeststellung / Kammergericht ordnet Bluttest für männliche Wohngemeinschaftsmitglieder an

Von Myriam Moderow

Um die Väter zweier Kinder herauszufinden liefert sich das Kreuzberger Jugendamt seit Jahren einen absurden Kleinkrieg mit einer Berliner Wohngemeinschaft. Da die Mutter der drei Kinder die geforderte Auskunft aus Prinzip verweigert, (“das geht den Staat nichts an“) zog das Jugendamt im Namen der Kinder vor Gericht. Das Amt bekam recht: Zwei der Kinder, die Mutter und ihre beiden WG–Mitbewohner müssen jetzt zur Vaterschaftsfeststellung zwangsweise zur Blutuntersuchung. Als 1981 das erste Kind zur Welt kam, wurde der ledigen Mutter ein Amtspfleger zugeordnet. Alle Versuche, den Pfleger vom Jugendamt wieder loszuwerden, waren vergebens, da die Pflegschaft nach der bundesdeutschen Rechtsprechung nicht aufgehoben werden darf, wenn der Vater des Kindes unbekannt ist. Da die Mutter die Frage nach dem Erzeuger als „Eingriff in die Intimsphäre“ zurückwies, recherchierte der Amtspfleger auf eigene Faust. Doch als auch Anrufe bei Eltern und Geschwistern der WG–Angehörigen nicht die gewünschte Auskunft erbrachten, zog das Jugendamt im Namen der Kinder vor Gericht. Daß in erster Linie die Männer aus der Wohngemeinschaft als Väter in Frage kommen, begründet das Amt in der Klageschrift so: „In Wohngemeinschaften ist der Geschlechtsverkehr untereinander üblich“. Das Berliner Kam mergericht gab dem Jugendamt recht: auch wenn sich die Mutter auf die Wahrung ihrer Intimsphäre berufe, so habe das Recht des Kindes Vorrang, den Vater zu kennen. Der Bluttest wurde richterlich angeordnet, obwohl die Mutter unter Eid bestritt, daß einer ihrer beiden Mitbewohner Vater der Kinder sei. Die Einschränkung des Sorgerechts lediger Mütter durch die Pfleger vom Jugendamt hält die WG für unzeitgemäß: Schließlich seien mittlerweile 20 uneheliche Kinder - höchste Zeit also, Ehen und andere Formen des Zusammenlebens rechtlich gleichzustellen, argumentieren sie. Ein WG–Bewohner hat eine UNO–Resolution von 1972 als Argumentationsgrundlage ausfindig gemacht: „In allen Fällen sollte der Mutter als automatische Folge der Geburt die volle elterliche Gewalt über ihr Kind durch Gesetzeskraft übertragen werden. Eine aus einer unverheirateten Mutter und ihrem Kind bestehende Familie sollte keiner von der Behandlung anderer Familien abweichenden besonderen Kontrolle oder Aufsicht unterworfen werden“, heißt es da. In anderen Ländern ist die Einschränkung des Sorgerechts lediger Mütter längst abgeschafft, recherchierten die WG–ler. Trotz der gerichtlichen Niederlage wollen sie nicht locker lassen und gründeten kürzlich den Verband „ehefreier Mütter und Kinder und deren Freund“, der dem Vernehmen nach regen Zulauf hat.