Sonderkommission jagt Fleischmafia

■ Millionenschwerer Fleischbetrug in Nordrhein–Westfalen aufgedeckt / Minister spricht von „Mafia“ Ermittlungen gegen Tierärzte und Beamte eingeleitet / Fleisch „verschimmelt und angefault“

Von Jakob Sonnenschein

Düsseldorf (taz) - Die nordrheinwestfälischen Behörden haben nach zweieinhalbjährigen Kontrollen von Fleischimporten aus den EG– und Drittländern schwerwiegende Qualitätsverstöße festgestellt. Wie eine Sonderkommission der Kriminalpolizei und die Schwerpunktstaatsanwaltschaft in Düsseldorf feststellten, haben Beamte der Einfuhruntersuchungsstellen und mit der Kontrollaufsicht betraute Tierärzte die schweren Verstöße gedeckt. Gegen zwölf Tierärzte laufen Verfahren wegen Urkundenfälschung und Bestechlichkeit. Die Ermittler stellten ver schimmelte und angefaulte Fleischteile sicher, fanden Tierhälften mit herausgeschnittenen Fleischbeschaustempeln und kamen einem gigantischen Subventionsbetrug auf die Spur, der sich nach Angaben von Agrar– und Umweltminister Matthiesen auf mehrere hundert Millionen Mark beläuft. Matthiesen erläuterte am Donnerstag vor der Presse den „Zwischenbericht“ über die „Sonderaktion“ der Behörden und sprach von einer „Mafia“, die weltweit beim Fleischgeschäft operiere und gigantischen Subventionsbetrug begehe. In NRW spielten Beamte in den Einfuhr–Untersuchungsstellen mit. In Bochum mußte die ganze Abteilung geschlossen werden, in Gelsenkirchen wurde das Personal komplett ausgewechselt. In Krefeld und Oer–Erkenschwick wurden die Leiter der Untersuchungsstellen von sämtlichen Funktionen entbunden, weil sie Fleischlastzüge ohne Kontrolle abgefertigt hatten. In weiteren Untersuchungsstellen wurden „schwergewichtige Verstöße gegen die Fleischhygienevorschriften“ festgestellt. Matthiesen bezeichnete die Sonderaktion als in der BRD „einmaligen Verbraucherschutz“, der zum Ergebnis habe, daß man in NRW „nicht mehr befürchten muß“, schlechtes Fleisch auf den Teller zu bekommen. Auf Nachfrage räumte der Minister ein, daß man Einzelfälle „nicht ganz ausschließen“ könne. 90 Prozent der Fleischimporte habe man in NRW aber „im Griff“. In den anderen Bundesländern sieht das nach Matthiesen wesentlich schlechter aus. Er forderte seine Kollegen auf, es NRW gleich zu tun. Um zukünftige Straftaten einzudämmen, fordert die Rau–Regierung Strafverschärfungen und zusätzliche Fachaufsicht. Nach den Worten von Staatsanwalt Jochen Ruhland existiert ein „ganz großer krimineller Hintergrund“. Gegen Verantwortliche von etwa 80 Fleischimportfirmen werde ermittelt. Verhaftet worden ist noch niemand.