Strafanzeige: AKW Obrigheim illegal

■ Atomkraftwerke Obrigheim und Neckarwestheim ohne Dauergenehmigung Grüne stellen Strafanzeige gegen Betreiber / Klage gegen Aufsichtsbehörde

Von Dietrich Willier

Stuttgart (taz) - „Wer ohne die erforderliche Genehmigung eine kerntechnische Anlage betreibt, wird nach Paragraph 327 Strafgesetzbuch mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.“ Die beiden baden– württembergischen Atomkraftwerke Obrigheim und Neckarwestheim 1 haben keine solche Genehmigung, jedenfalls nicht für den Dauerbetrieb. Der illegale Betrieb des ältesten AKWs der Republik, Obrigheim, währt bereits 20 Jahre, Neckarwestheim1 heizt den Neckar seit 15 Jahren. Beide waren jedoch nur für den Probebetrieb genehmigt. Das ergeben zwei ausführliche Rechtsgutachten, die von den baden– württembergischen Grünen vor drei Monaten in Auftrag gegeben und gestern der Öffentlichkeit vorgestellt wurden. Der Verstoß gegen den Atomparagraphen im Strafgesetz ist ein Offizialdelikt. Wenn also die Grünen in der kommenden Woche Strafanzeige gegen die Betreiber des AKW Obrigheim stellen werden, muß die zuständige Mosbacher Staatsanwaltschaft tätig werden. Darüber hinaus kündigte der Fraktionsvorsitzende der Grünen, Fritz Kuhn, gestern Verwaltungsklagen gegen die zuständigen Ministerien an. Das Stuttgarter Wirtschaftsministerium ist Genehmigungs–, das Ministerium für Landwirtschaft und Umwelt ist Aufsichtsbehörde. In der nächsten Plenarsitzung des Stuttgarter Landtags wollen die Grünen einen parlamentarischen Untersuchungsausschuß zu Fragen der Sicherheit und Genehmigungspraxis der Anlagen fordern. Geklärt werden soll auch, ob an Verantwortliche baden–württembergischer AKWs Bestechungsgelder von NUKEM und „Transnuklear“ gezahlt wurden. Fortsetzung auf Seite 2 Mindestens 25 Prozent der Parlamentarier müßten sich für die Einrichtung eines solchen Untersuchungsausschusses aussprechen, die Landes–SPD aber verweigert ihre Gefolgschaft. Rein zufällig waren die baden– württembergischen Grünen zu Beginn dieses Jahres auf den klammheimlichen, nicht genehmigten Betrieb des „längst schrottreifen“ AKW Obrigheim gestoßen. Für eine sicherheitstechnische Studie des Darmstädter Öko–Instituts waren die Genehmigungsunterlagen vom Wirt schaftsministerium angefordert worden. War in den ersten Teilerichtungsgenehmigungen Mitte der 60er Jahre noch der „Probe– und Versuchsbetrieb“ des AKW gestattet worden, so fehlte dieser Hinweis im weiteren Genehmigungsverfahren. Der Satz war ganz einfach gestrichen worden. Eine Erlaubnis zum „Dauerbetrieb“ war aber vom Betreiber des AKW, der KWO Obrigheim GmbH, weder beantragt noch je genehmigt worden. In den Rechtsgutachten der Anwälte Rainer Beeretz (Büro de Witt, Freiburg), und dem Frankfurter Anwalt Hans Neumann ging es nun nicht allein um die Frage einer Vollgenehmigung für den Dauerbetrieb des AKW Obrigheim. Bereits seit 1972, so Rechtsanwalt Neumann, hätten mehrere Genehmigungsverfahren unter öffentlicher Beteiligung stattfinden müssen. So die nachträgliche Erlaubnis, den Reaktor auch mit Plutonium–, Hochabbrand– und Mischoxydbrennelementen auszustatten. Eine nachträgliche Genehmigung zum Dauerbetrieb, so hoffen die Grünen, sei schon deshalb auszuschließen, weil das AKW Obrigheim nicht einmal den Mindestforderungen der Reaktorsicherheitskommission genügt. Den Gutachtern zufolge kommt nur die einstweilige oder endgültige Einstellung des AKW–Betriebs in Betracht, die Aufsichtsbehörden sind „verpflichtet, den illegalen Dauerbetrieb zu beenden.“