Hamburg: Eine Partnerwahl ohne große Sympathie

■ Bei SPD und FDP haben sich die Verhandlungskommissionen formiert / Wunschpartner von Dohnanyi und von Münch von „harten“ wirtschaftsliberalen und linken SPDlern eingemauert / Wirtschaftspolitik wird Knackpunkt der Koalitionsverhandlungen / Die neue sozialliberale Ära oder: Von „alter Liebe“ keine Spur

Aus Hamburg Tom Janssen

Unter vier Augen verstehen sich SPD–Wahlsieger von Dohnanyi und FDP–Wahlsieger von Münch immer hervorragend und versäumen auch nicht, das jedem mitzuteilen. In ihren Parteien haben die beiden jedoch einen nicht so leichten Stand. Nur mit Mühe und Not gelang es dem agilen Rechtsprofessor Ingo von Münch vor der Bürgerschaftswahl am 9. November 1986, in der die FDP dann mit 4,8 die Koalitionsaussage offen zu halten. Nur „Junge Liberale“ und die letzten versprengten hanseatischen Linksliberalen, die nach der großen Austrittswelle wegen der „Wende“ in der Partei blieben, wagten eine Koalition mit den Sozialdemokraten überhaupt anzudenken. Während der sogenannten „Hamburger Verhältnisse“ zwang die überwiegende Mehrheit der Wirtschaftsliberalen bei den Freidemokraten ihren Vorsitzenden dann, eine Koalitionsaus sage zugunsten der CDU zu treffen. Doch der schlaue Professor konnte ein Hintertürchen formulieren: Sollte das Wahlvolk der Wende nicht seine Stimme geben, so müßte die FDP um der Regierbarkeit der Stadt willen mit der SPD zusammengehen. Die Freidemokraten schlucktens, reagierten aber auf ihre Weise. Sie mauerten ihren Vorsitzenden mit einer wirtschaftsliberalen Parlamentsliste ein und wählten ihn mit übergroßer Mehrheit zum neuen Landesvorsitzenden. Erwünschter Nebeneffekt laut freidemokratischen Hamburger Parteistatuten: Der Landesvorsitzende darf nicht gleichzeitig Fraktionsvorsitzender sein. Als die Wähler und Wählerinnen sich dann am Abend des 17. Mai für eine sozialliberale Zukunft entschieden, wurden die Gesichter bei vielen der gewählten FDP–Parlamentariern lang: Der Traum–Wendepartner CDU wieder im 40 ihre neuen Wählerstimmen zudem noch mit linken Reformversprechungen bei Grünen–Wählern holte. Belastet sind die Koalitionsverhandlungen und die Zusammenarbeit jedoch auch mit dem FDP–Wahlprogramm. In ihm werden - gelbes Tuch für die Sozialdemokraten - erhebliche Einsparungen im öffentlichen Dienst sowie Reprivatisierungen staatlicher Unternehmen gefordert. Hinzu kommen noch jene Details, die für Freidemokraten und Sozialdemokraten unterschiedlich sehr teuer sind: die Mitbestimmung im Öffentlichen Dienst sowie Verstaatlichungen bestimmter Behörden–Zuarbeitungsdienste. Weiterer Streitpunkt: der von den Sozialdemokraten favorisierte 2. Arbeitsmarkt, den die FDP–Marktwirtschaftler als Konkurrenz für die private Wirtschaft begreifen. Entsprechend ist auch die FDP– Verhandlungskommission zusammengesetzt. Nicht nur der publikumswirksame Ingo von Münch, der auf einen unbedeutenden Senatorenposten abgescho ben werden soll, ist ihr starker Mann, sondern der neu gekürte Fraktionsvorsitzende und stellvertretende Landesvorsitzende Wilhelm Rahlfs. Ein „Sozi–Fresser“, wie ihn auch Bangemann sich reiner nicht wünschen könnte. Namen wie Rainer Funke (Bundestagsabgeordneter) oder einer der größten Bauunternehmer Hamburgs, Robert Vogel, komplettieren die wirtschaftsliberale Liste. Als Beruhigungspille für von Münch und für die FDP wurde lediglich der linksliberale Architekt Martin Kirchner mit hereingenommen. Er spielte als einer der letzten Sozialliberalen in den vergangenen Jahren eine eher traurige Rolle: Immer wieder hatte sich Kirchner um Führungsparteiämter bemüht, und immer wieder wurde er niedergewählt. Bei den Sozialdemokraten sieht es ähnlich aus: Zwar stimmte der SPD–Wahlparteitag bis auf eine 1/3–Mehrheit Klaus von Dohnanyis FDP–Präferenz zu, aber lediglich in der deutlich ausgesprochenen Hoffnung, daß es mit den „Gelben“, die selbst CDU–Spitzenkandidat Hartmut Perschau als „rechts von uns stehend“ bezeichnete, nicht klappen würde. Entsprechend lang waren die Gesichter bei den Sozis am Wahlabend. Schnell machte das geflügelte Wort von den „zwei Prozent, die wir zuviel haben“ die Runde. Jene zwei Prozent nämlich, die Klaus von Dohnanyi wieder zum unbestrittenen Bürgermeister machten und seine Partei nun in eine ungeliebte Koalition zwingen. Doch Hamburgs Sozialdemokraten bauten ebenfalls auf ihre Art vor. In die Verhandlungskommission - bestehend aus Klaus von Dohnanyi, der SPD–Fraktionsvorsitzenden Henning Voscherau, Fraktionsgeschäftsführerin Elisabeth Kiausch und die aus dem linken Flügel kommende Rosemarie Raab, die schon die Gespräche mit CDU und GAL während der „Hambruger Verhältnisse“ führten - orderten sie Landesvorstandsmitglied und AfA–Vertreter (Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen) Erich Rumpel. Zudem wurde der stellvertretende Lansdesvorsitzende und ehemalige Bundestagsabgeordnete Uwe Hansen, ebenfalls ein gestandener Arbeitnehmervertreter, verpflichtet, in der Vor– und Nachbereitung der Gespräche die Parteipositionen zu vertreten. Die beiden derart eingemauerten Wunschpartner von Dohnanyi und von Münch sind so zur Zeit darauf beschränkt, die äußerst harten und strittigen Verhandlungen mit dem Mantel einer sozialliberalen Zukunft der Republik zu bedecken. Mag es aus Bonn noch so sehr tönen, daß Hamburg, sollte es denn zu einer Regierungsbildung kommen, ein Einzelfall bleibt. Jochen Vogel ließ aus der Bonner SPD–Baracke schon wolkig verlauten, daß die Hamburger Entwicklung die „Handschrift Genschers“ trage. Und auch für die Landtagswahlen in Bremen (fest in SPD–Hand) und Schleswig–Holstein (mit einer wackelnden CDU–Regierung) werden bereits Rauchzeichen ausgesandt.