„Freiheit oder Tod - der Sieg ist sicher!“

■ Die militanten Slogans des neugegründeten Jugenddachverbands SAYCO werden vor allem von schwarzen Jugendlichen Südafrikas begeistert aufgenommen SAYCO ist angeblich die größte außerparlamentarische Oppositionsgruppe / Straff geführter Untergrundorganisation werden stalinistische Methoden vorgeworfen

Von Hans Brandt

Johannesburg (taz) - Heimlich waren 250 Delegierte aus ganz Südafrika nach Kapstadt gefahren. Weniger als zehn von ihnen wußten, wo genau sie sich treffen sollten. Wenige Stunden vor Beginn wurde der Versammlungsort kurzfristig geändert, dann noch einmal. Und noch ein drittes Mal. Sicherheitsvorkehrungen, die dafür sorgten, daß die Versammlung letztendlich wirklich ohne Störung durch die Sicherheitspolizei stattfinden konnte. In aller Ruhe gründeten dann die Delegierten von Hunderten von Jugendgruppen am 28. März in Kapstadt den „Südafrikanischen Jugendkongreß“ (SAYCO), mit angeblich bis zu 700.000 Mitgliedern und bis zu zwei Millionen Unterstützern die größte Widerstandsgruppe des Landes. Die wenigen Journalisten und Beobachter, die überhaupt von der bevorstehenden Gründung gehört hatten, dachten indessen, daß die Versammlung in Durban stattfinden werde. Eine Desinformationskampagne hatte sie (und wohl auch die Sicherheitspolizei) gezielt hinters Licht geführt. „Wir sind eine legale Organisation, die legal operiert“, sagte später Rapu Molekane, neugewählter SAYCO–Generalsekretär, bei einer ebenfalls geheim organisierten Pressekonferenz in Johannesburg. „Aber der Staat hat uns gezwungen, im Untergrund zu organisieren.“ Der seit fast einem Jahr in Südafrika geltende Ausnahmezustand hat Jugendgruppen besonders hart getroffen. Bis zu 80 Prozent der mehr als 30.000 infolge des Ausnahmerechts Inhaftierten sind Mitglieder von Jugendgruppen. Auch die wachsende Zahl rechter Schlägertrupps, die sogenannten „Vigilan Verteidigung gegen die „Vigilantes“ plant der Jugendkongreß die Gründung von „Verteidigungskomitees“. Es ist zu erwarten, daß andere Anti–Apartheid–Gruppen in Südafrika ähnlich wie SAYCO zunehmend im Untergrund operieren werden. SAYCO, als größte Mitgliedsorganisation der mehr als 700 Gruppen umfassenden „Vereinigten Demokratischen Front“ (UDF), ist in vieler Hinsicht Nachfolger des „Kongresses südafrikanischer Studenten“ (COSAS), der Schülerorganisation, die bis zu ihrem Verbot im August 1985 die größte und militanteste UDF–Organisation war. Schüler und die aus dem minderwertigen Schulsystem für Schwarze in die Arbeitslosigkeit entlassenen Jugendlichen kämpfen schon seit den Soweto–Unruhen 1976 an vorderster Front gegen die Apartheid. Sie nehmen als erste den Stein oder den Molotow–Cocktail in die Hand, sie werden als erste verletzt, verhaftet oder getötet. Dabei gehen die militanten Jugendlichen jedoch oft unkontrolliert und unkoordiniert vor. Mit der Gründung von SAYCO wird zum ersten Mal seit fast zwei Jahren wieder versucht, sie in den organisierten Widerstand einzubinden. Aus diesem Grund betont SAYCO die Wichtigkeit starker Organisationsstrukturen, intensiver politischer Weiterbildung und fester Disziplin. Das stößt jedoch auf scharfe Kritik. Mitglieder einzelner Jugendgruppen werfen SAYCO stalinistische Methoden und undemokratische Strukturen vor. SAYCO–Sprecher halten eine „ultrademokratische Position“ zur Zeit jedoch für falsch. „In einer repressiven Situation ist Demokratie zwar nicht unmöglich, aber doch sehr schwierig“, sagt ein SAYCO–Sprecher. „Auf die Konsultation jedes einzelnen zu warten, kann dem Kampf schaden.“ Er warnt auch, daß das „Niveau des politischen Bewußtseins“ der Mitglieder berücksichtigt werden muß, „zum Beispiel, wenn eine weitreichende strategische Entscheidung gefällt wird“. SAYCOs Motto „Freiheit oder Tod - der Sieg ist sicher“ deutet die Richtung an, in die die Jugendorganisation gehen will. „SAYCO ist eine Bombe, ge schaffen vom südafrikanischen Volk, geschmiedet im Kampf der Arbeiter und abgefeuert auf das Haupt des Apartheid–Kolonialismus“, warnte SAYCO–Präsident Peter Makoba, als er Ende April überraschend bei einer Versammlung an der liberalen Johannesburger Witwatersrand Universität erschien, an der auch etwa 2.000 Schwarze studieren. „Keine Minute ohne den Kampf, keinen Augenblick ohne die Bewegung, keine Stunde ohne das Volk“, wetterte der ehemalige politische Gefangene, der einige Zeit auf der Gefängnisinsel Robben Island bei Kapstadt verbrachte. „Im Kampf haben wir keine Zeit für lange Reden. Wir haben nur Zeit für Befehle. Jeder und alles an die Front!“ Makobas herausfordernde Militanz putschte die Stimmung auf, bis der Saal bebte im Schall der „Amandla!“ (“Macht!“)–Rufe, mit denen die vorwiegend schwarzen Studenten dem SAYCO–Präsidenten antworteten. SAYCO mag die militante Tradition der Jugendlichen fortführen. Im Vergleich mit COSAS hat SAYCO dennoch eine neue politische Qualität. Da ist die Rede vom „Kampf der Arbeiter“. Neben den Farben der verbotenen Befreiungsbewegung „Afrikanischer Nationalkongreß“ (ANC), Schwarz, Grün und Gold, hat SAYCO auch die rote Fahne in sein Emblem aufgenommen. Damit schlägt sich bei SAYCO die allgemein in der südafrikanischen Opposition wachsende Tendenz nieder, als Endziel des Kampfes eine sozialistische Gesellschaft zu sehen. „Wir erkennen die Arbeiter als Führer in unserem Kampf an“, sagt Makoba. „Weil die Jugendlichen militant und oft bewußter sind, leiten sie oft Kampagnen ein“, erklärt ein anderer SAYCO–Sprecher. „Das bedeutet aber nicht, daß die Jugendlichen die Führer sind. Die Arbeiter sind die Führer. Sie sind die Produzenten, die den Schlüssel für jede Zukunft in der Hand haben.“ Deshalb bemüht sich SAYCO um eine enge Zusammenarbeit mit dem 700.000 Mitglieder zählenden „Kongreß südafrikanischer Gewerkschaften“ (COSATU). In einer Botschaft an COSATU, die kurz nach der Gründung von SAYCO veröffentlicht wurde, betont die Jugendorganisation allerdings, daß COSATU zwar „eine wichtige Waffe und Schule zur Entwicklung der Arbeiterschaft“ ist, daß jedoch „nur eine politische Partei der Arbeiterklasse die Nation zu Demokratie und Sozialismus führen kann. Trotz roter Fahne und der Bekennung zur führenden Rolle der Arbeiterklasse hat sich SAYCO den Sozialismus jedoch nicht formell als Ziel gesetzt. „Der Weg zum Sozialismus geht durch bestimmte Stadien“, sagt ein SAYCO–Sprecher. „Zur Zeit kämpfen wir den Nationaldemokratischen Kampf, der die Verwirklichung der (schon in den fünfziger Jahren formulierten, als Grundsatzdokument des ANC und der UDF geltenden, eher sozialdemokratischen) Freiheitskarta zum Ziel hat.“ Damit unterstützt SAYCO eindeutig die klassenübergreifende Frontpolitik der UDF. Dennoch geht der Jugendkongreß deutlich über die einfache Befreiung Südafrikas von der Apartheid hinaus. Konflikte mit gemäßigteren Strömungen innerhalb der UDF, die eine eher gemischtwirtschaftliche, sozialdemokratische Gesellschaftsordnung im zukünftigen, vielrassischen Südafrika anstreben, sind deshalb zu erwarten. Andere Gruppen kritisieren SAYCO, weil sie den Kampf für nationale Befreiung als Vorstadium zum Aufbau einer sozialistischen Gesellschaft für falsch halten. SAYCO wird, ähnlich wie sein Vorgänger COSAS, mit erheblichem Druck vom Apartheid–Regime rechnen müssen. Tatsächlich ist es schon eine beachtliche Leistung, daß die Organisation inmitten des Ausnahmezustandes überhaupt gegründet werden konnte. Trotz der zunehmenden Repression sind SAYCO–Führer jedoch zuversichtlich, daß die Organisation dem Druck wird standhalten können. „Wir leben, um zu kämpfen“, sagt Makoba. „Wir sind fest entschlossen, frei zu sein, ob tot oder lebendig.“