Biedenkopf geht ohne Streit

■ Ehemaliger Chef der NRW–CDU verzichtet auf persönliche Abrechnung / Kritik an der Politik des „Machbaren“ / Parteitag der NRW–CDU in Essen wählte Blüm / 95,7

Von Jakob Sonnenschein

Essen (taz) - Mit einer zukunftsorientierten Rede hat sich der gescheiterte Chef der NRW–CDU, Prof. Kurt Biedenkopf, am Freitag von seinem Parteivorsitz verabschiedet. Der von Kohl, Geißler und Blüm ausmanövrierte Biedenkopf verzichtete auf dem Parteitag in Essen in seinem letzten Rechenschaftsbericht auf jede persönliche Abrechnung. Die Entscheidung zum Schweigen sei ihm „nicht leichtgefallen“ angesichts der „schmerzhaften Erfahrungen“ der letzten Monate, aber die „Bürger erwarten von uns“, daß wir den Blick „auf die Zukunft richten“. Die aus seiner Sicht Verantwortlichen für den Sturz sprach Biedenkopf dann aber doch direkt an. Daß er nicht mehr für den Landesvorstand kandidieren werde, entspreche „dem ausdrücklichen Willen des Bundesvorsitzenden und seines Generalsekretärs“. Erneut plädierte der gescheiterte Professor für eine „schöpferische Legislaturperiode“, die durchzusetzen Biedenkopf sich in Bonn vorgenommen hatte. Dieses Ansinnen ist zwar völlig aussichtslos, doch zumindest schien sich der Professor noch einmal einmischen zu wollen. Dabei bekam die Kohl–Regierung, von Biedenkopf nicht direkt angesprochen, ihr Fett ab. Insgesamt kritisierte Biedenkopf die Politikausrichtung am „politisch Machbaren“ und warb für eine „offene, sensible, neugierige Gesellschaft“. Gegen die Oggersheimer Dickfelligkeit warnte er vor der „politischen Diffamierung des Konflikts“, vor „zu viel Gemeinsamkeit“, die schnell zu einem „Veto–Kartell der Besitzstände“ werden könnte. Der Parteitag verabschiedete ihn mit mäßigem Applaus und ohne Diskussion. Nur eine Delegierte aus Neheim–Hüsten bezeichnete seinen Sturz als „schäbig“. Norbert Blüm, mit knapp 96% zum Vorsitzenden gewählt, sagte, er „bettele“ nicht, sondern „erwarte“ von allen CDU–Mitgliedern „Loyalität“. Mit der Benennung des rheinischen Unternehmers Helmut Linssen zu seinem Generalsekretär hat Blüm gleich zu Anfang seiner NRW–Arbeit schon eine glückliche Hand bewiesen. Linssen, am Sturz von Biedenkopf und Pützhofen in der Endphase maßgeblich beteiligt, dürfte ebenso wie Blüm von den Delegierten mit überwältigender Mehrheit gewählt werden. Während Biedenkopf auf eine erneute Kandidatur für den Landesvorstand verzichtete, bewirbt sich sein Ex–Stellvertreter Pützhofen um einen Beisitzerposten. Um die Zukunft des einstigen Chefs sorgt sich allein die Junge Union. Der JU–Vositzende Profalla ist „schockiert“, daß sich „keiner Gedanken macht, wie man ihn weiter einsetzen kann“. Biedenkopf sei für die JU, so Profalla, „ein unverzichtbarer Bestandteil der Partei“.