Mit dürftiger Strategie gegen den §218

■ Beim bundesweiten Treffen von Frauengruppen gegen Tendenzen zur Verschärfung des Abtreibungsparagraphen 218 fehlte Phantasie für konkrete Aktionen / Wo waren die „Frauen der ersten Stunde“? / Nur in der Theorie war frau sich einig / Neues Treffen im November

Aus Frankfurt Gunhild Schöller

Ganz in lila präsentierte sich am Samstag die Frankfurter Fachhochschule. Farben und Parolen der Transparente und Plakate, „Weg mit dem 218“, „Mein Bauch gehört mir“, „Für das Selbstbestimmungsrecht der Frau“, signalisierten unmißverständlich: Hier tagt die autonome Frauenbewegung. Selbst die Blumen auf dem Podium waren stilvoll ausgesucht, vom dunkellila Flieder zur hellvioletten Gladiole. Doch die rund 400 Teilnehmerinnen der ersten bundesweiten Protestveranstaltung gegen den §218 seit die Bundesregierung ein Beratungsgesetz ankündigte, hatten sich nicht angepaßt. Die lila Latzhose blieb eingemottet im Kleiderschrank. Das Publikum war erstaunlich jung. Gut die Hälfte zählt zwischen 20 und 25 Jahren, während man sich nach den „Frauen der ersten Stunde“ schon sehr genau umblicken mußte. Mit Alice Schwarzer und Melitta Walter allerdings war hochkarätige Prominenz dieser Spezies auf dem Podium vertreten. Doch das Anliegen, das die Frauen von Freiburg bis Kiel zu sammengebracht hatte, konkrete Schritte gegen das Beratungsgesetz zu koordinieren, blieb auf der Strecke. Von elf Uhr morgens bis fünf Uhr nachmittags nagelte eine ununterbrochene Folge von Redebeiträgen zum §218 im allgemeinen und dem Selbstbestimmungsrecht im besonderen die Teilnehmerinnen auf ihren Stühlen fest. Gemeinsame Kreuzschmerzen blieben so das einzige Ergebnis dieses Tages. Dabei zeigten die Beiträge der Veranstalterinnen, der seit Jahren aktiven Frauen der bundesweiten 218–Koordination, sehr präzise die Notwendigkeit eines organisierten und politisch handlungsfähigen Widerstands auf. Die Möglichkeiten, die der reformierte §218 den Frauen - wenn sie im richtigen Bundesland wohnen - jetzt noch läßt, werden durch das geplante Beratungsgesetz drastisch eingeschränkt. Die Kontrolle und Bespitzelung von Beratungsstellen mit der Drohung, ihnen die Zulassung zu entziehen, falls sie nicht „zugunsten des ungeborenen Lebens“ beraten, die Zwangsschulungen für Ärzte und Ärztinnen, die Einflußnahme auf das soziale Umfeld der Frau, die Verpflichtung, alle Abbrüche ans Statistische Bundesamt zu melden, um „Abtreibungsärzte“ zu erfassen - all das würde Frauen dazu zwingen, entweder den Abbruch für teures Geld illegal vorzunehmen oder könnte gar, wie Alice Schwarzer prophezeite, die unheilvollen Zeiten des „Verblutens auf dem Küchentisch“ wieder Realität werden lassen. Perspektivisch allerdings, so der Tenor der Rednerinnen, würde nur die Streichung des 218 aus dem Strafgesetzbuch Abhilfe schaffen, denn der „jetzige Gummiparagraph“, der Abreibung grundsätzlich unter Strafe stellt, lasse immer zu, daß die Schrauben enger angezogen werden. Brigitte Kiechle von der Karlsruher 218–Grupe machte deutlich, wohin die Reise noch führen kann. In Baden–Württemberg, das eine „Test– und Vorreiterrolle“ für die Bundesregierung übernehme, lägen Pläne der CDU zur Abschaffung der sozialen Indikation auf dem Tisch. Die Notlagenindikation solle künftig für den Landtag als „Unterfall der medizinischen Indikation“ gelten. Nur „in Ausnahmefällen, nämlich in lebensbedrohenden oder vergleichbar schweren Konfliktsituationen“ sei ein Schwangerschaftsabbruch „ethisch und rechtlich nicht zu verurteilen. Auch stelle die CDU in diesem Antrag bereits „Neuerungen“ gegenüber dem derzeit diskutierten Beratungsgesetz vor: Der Hinweis auf die grundsätzliche Rechtswidrigkeit soll ebenso verpflichtend werden wie die Anweisung an Ärzte, die Indikation eingehend schriftlich zu begründen und sie von dem den Abbruch vornehmenden Arzt nochmals überprüfen zu lassen. „Wir werden uns außerdem auf eine Kampagne, die 218–Gegner/innen als Verfassungsfeinde darstellen will, vorbereiten müssen“, schärfte Brigitte Kiechle den Zuhörerinnen ein. Doch angesichts dieser Dimension blieb die „Strategiediskussion“ dürftig. Ein kurzer Schlagabtausch zu der von Alice Schwarzer propagierten Verfassungsklage ließ die bekannten Pro– und Contra–Argumente unvermittelt gegen einander stehen: hier die Hoffnung auf Öffentlichkeit, dort die Befürchtung, das Verfassungsgericht könne noch eine direkte Verschärfung des 218 vornehmen. Der Vorschlag von Gewerkschafterinnen der IG–Metall, eine gemeinsame Großdemonstration ins Auge zu fassen, wurde mit dem „Argument“ gekontert, die Gewerkschaften sollten erstmal Druck auf die SPD ausüben. Die Frauen der Koordinationsgruppe boten ein erneutes Treffen im Herbst an und zeigten sich ansonsten hilflos: Da der Zeitpunkt für den CDU–Parteitag unter dem Motto „Schutz des Lebens“ immer noch unklar ist, blieb der Vorschlag zu „Störaktionen“ undiskutiert im Raum stehen. Einig und begeistert zeigten sich die Frauen allein bei den theoretischen Ausführungen zum Selbstbestimmungsrecht der Frau, Abtreibung als „potente weibliche Tat“ zu begreifen. Für ihr Plädoyer erntete die Frankfurter Psychologin Conny Hühn den stürmischsten Applaus. Abtreibung müsse nicht zwangsläufig der „furchtbar deprimierende Horrortrip“ sein, sondern könne ebenso als positive Entscheidung begriffen eerden, aus der Frauen gestärkt hervorgehen. Wie allerdings ihre Utopie von der „stolzen Abtreiberin“ Wirklichkeit werden könnte, blieb auch in Frankfurt unklar.