Flucht in den Hedonismus

■ Glotz weist der SPD den Weg aus der babylonischen Gefangenschaft

Die neueste Entdeckung der deutschen Sozialdemokratie ist das Lustprinzip. Gefördert von der Bonner Baracke diskutieren post–avantgardistische Parteizirkel über Hedonismus, high–tech und life–style–Kultur. Der Yuppie läßt grüßen und die Partei der Arbeiterbewegung dient sich ihm an. Die jüngsten Äußerungen des noch amtierenden Bundesgeschäftsführers der SPD, Peter Glotz, müssen in diesem Lichte gesehen werden. Mit „Pragmatik“ will Glotz die SPD aus der „babylonischen Gefangenschaft irgendeiner einzelnen Partei“ herausführen und sie zum promisken Partner machen, mit wem, wie lange, wo und wie auch immer. Gut ist, was Spaß macht und Lustgewinn verschafft - sogar die Umarmung beider großen Parteien. Das grüne Tief von Duisburg im Rücken und die Hamburger Liason vor Augen, läßt es sich eben leicht lustig sein. Nun hängt der rot–grüne Zwist der Vortage gewiß nicht nur den Zeitgeist–Protagonisten zum Halse heraus. Der die Mitte erobernde Wechselwähler will mehr als wohlfeile Glaubenssätze geliefert bekommen. Doch wird man den Verdacht nicht los, daß im glotzschen Bäumchen–Wechsel–Dich– Spiel allzu sehr die Flucht in die Beliebigkeit des lediglich reinen Willens zur Macht, der Trittbrettfahrerei steckt, auch wenn es ein notwendiger Reflex auf die Auflösung der (Wähler–)Blöcke ist. Schonung kommt gegenwärtig vor allem für die Partei selber dabei heraus. Der Kampf um ein zukunftsträchtiges Profil reduziert sich auf die Regierungsteilhabe. Anything goes schlichtet aber nicht den Streit, sondern läßt ihn einschlafen. Ob Rappe oder Lafontaine, ein jeder soll nach seiner Facon glücklich werden, der pragmatische Taktierer der Macht genauso wie der Traditionalist alter Schule. Werden sie sich mit der Vielkoaliererei ohne Inhalte zufrieden geben? Die Rechnung kann nicht aufgehen. Niemand entgeht seinem Schatten, auch wenn jeder seines eigenen Glückes Schmied sein soll. Benedict M.Mülder