25. Mai: Raustreten zum Zählen!

■ Der heutige 25. Mai ist der Stichtag der mittlerweile allseits beliebten Volkszählung / Feiernde Lübecker spannten eine mit blau-grünem Altpapier bestückte Leine 500 Meter durchs Zentrum / Zimmermann: Zählungsgegner wollen den Staat niederlegen

Von Petra Bornhöft

Berlin (taz) – Pünktlich zum heutigen Stichtag der Volkszählung ließ Bundesinnenminister Friedrich Zimmermann (CSU) verbreiten, der Widerstand gegen den Zensus beruhe nicht auf der Angst vor dem Gezähltwerden. Dahinter stecke vielmehr die Absicht, dem politischen System der Bundesrepublik eine Niederlage beizubringen. In keinem anderen Land habe es eine Auseinandersetzung dieser Art gegeben.

Und in der Tat, keine Stadt, kaum ein Dorf, in dem nicht spätestens seit Ausschwärmen der Zähler Proteste und Beschwerden laut werden. Allerdings ist es unmöglich, sie genau aufzulisten. Aus der Sicht des Bundesinnenministeriums interessieren insbesondere 20 bis 25 Übergriffe auf Zähler. Diese Aktionen, so Zimmermann, gingen aus von der „Autonomen Linken, der Umfeldorganisation der RAF“. Es habe aber auch von rechtsextremer Seite Versuche gegeben, die Volkszählung zu boykottieren und Zähler einzuschüchtern. Auch eine geistige Urheberschaft der Grünen komme in Frage.

Die Zahlen der bei Altpapier- Sammelstellen abgelieferten, unausgefüllten Fragebögen gehen unterdessen in die Zehntausende. Eine erste Übersicht will das Bonner Koordinationsbüro heute geben. Die alternative Zählung bereitet auch deshalb Schwierigkeiten, weil der staatliche Zensus sehr unterschiedlich anläuft und in manchen Städten oder Stadtbezirken wie Berlin-Kreuzberg noch immer nicht genug Zähler vorhanden sind. In Lübeck dagegen hatten Volkszählungsgegner bereits am Samstag soviele leere Erhebungsbögen, daß sie in der Fußgängerzone eine 500 Meter lange Wäscheleine spannen konnten, an der die weiß-blauen Zettel im Wind flatterten. Die überraschte Polizei schritt erst nach vier Stunden ein und durchsuchte das Fraktionsbüro der Grünen. Dort beschlagnahmten die Beamten ziemlich alles, was sie finden konnten, von Büroklammern bis zu einigen Zählbögen.

Trotz der vielfältigen Aktionen landauf, landab gibt es aber keinen Zweifel daran, daß die Volkszählung organisatorisch zu Ende gebracht wird. Daß die statistischen Ergebnisse durch Boykotteure und Schummler zumindest erheblich beeinträchtigt werden, kann schon jetzt als gesichert gelten. Siehe auch Seite 2