Keine Chance für kritische Literatur

■ Latenter Konflikt zwischen nonkonformistischen Autoren und dem rumänischen Regime / Publikationsverbot für „staatsfeindliche, antisozialistische“ Literatur / Berufsverbot für deutsch–rumänischen Schriftsteller Frauendorfer nach seinem Ausreiseantrag

Von William Totok

Jeder kritische Autor landet in Rumänien früher oder später in einem Verhörraum des Sicherheitsdienstes, wo man ihm nahelegt, entweder zu schweigen oder dem Regime gegenüber eine „positive“ Haltung einzunehmen. Das Szenarium derartiger Begegnungen verläuft nach dem schon in den 30er Jahren - während der Stalinära - praktzierten Ritual. In Rumänien gab es seit dem Machtantritt Ceausescus (1965) weniger politische Prozesse gegen Schriftsteller als vergleichsweise in anderen realsozialistischen Ländern; der latente Konflikt zwischen nonkonformistischen Autoren und dem Regime wurde immer wieder erfolgreich vom Repressionsapparat eingedämmt. Vorübergehend werden Autoren natürlich verhaftet - so mehrere Mitglieder der deutschen „Aktionsgruppe Banat“ 1975/76 - oder es kann sogar vorkommen, daß Leute unter verdächtigen Umständen während der U–Haft sterben, wie beispielsweise der rumänische Schriftsteller Gheorghe Emil Ursu 1985. Im Juli 1984 klopfte der Sicherheitsdienst bei Helmuth Frauen dorfer an: Er wurde tagelang verhört und sollte gestehen, daß er und seine Schriftstellerkollegen, die zum Teil Mitglieder des Temeswarer „Adam Müller–Guttenbrunn“–Literaturkreises waren, „staatsfeindliche, antisozialistische Literatur“ schreiben. Frauendorfer weigert sich, derartige Erklärungen zu unterschreiben und wird daraufhin von den Sicherheitsoffizieren Oberstleutnant Paduraru Nicolae und Major Adamescu Ioan zusammengeschlagen. Er kriegt einen schriftlichen Verweis, und man droht ihm bei einer „weiteren Verfehlung“ mit einem Prozeß. Audienz beim Propagandasekretär Am 1. 9. 1984 richten sieben Temeswarer Autorinnen und Autoren (Helmuth Frauendorfer, Herta Müller, Johann Lippet, Horst Samson, Richard Wagner, William Totok und Balthasar Waitz) im Zusammenhang mit der Frauendorfer–Affaire einen Brief an den damaligen Ersten Sekretär des Temescher Kreisparteikomitees, Cornel Pacoste, und an den Vorsitzenden des rumänischen Schriftstellerverbandes, D.R. Popescu. Am 12. 10. 1984 werden die Unterzeichner vom Teme scher Propagandasekretär, Eugen Florescu, in einer Audienz empfangen, bei der der Vorsitzende der Temescher Schriftstellervereinigung, Anghel Dumbraveanu, und der Chef des Temeswarer Sicherheitsdienstes, Oberst Cristescu, zugegen waren. Massive Drohungen Florescu las bei dieser Gelegenheit den Autoren als Drohung Einschätzungen ihrer Texte aus vom Sicherheitsdienst verfaßtem Material vor. Das „Gespräch“ endete mit massiven Drohungen. Die Folgen: Einen Tag nach der Audienz erhalten die sieben Autorinnen und Autoren Publikationsverbot bei Radio Temeswar. Der „Adam Müller–Guttenbrunn“– Kreis nahm nach diesen Zwischenfällen seine Tätigkeit nicht wieder auf, weil die Schriftsteller unter diesen Bedingungen sich weigerten, öffentlich weiterzuarbeiten. (Seit November 1985 gibts den Kreis formal wieder, kein Schriftsteller ist daran beteiligt, außer einigen opportunistischen Gelegenheitsdichtern wie Eduard Schneider und Anton Palfi, die hoffen, sich durch Mitwirken persönliche Vorteile erkaufen zu können. Der Kreis soll letztlich als Aushängeschild für eine tolerante Nationalitätenpolitik dienen!) Eine ganze Reihe rumäniendeutscher Autoren stellte angesichts der verstärkten Repression Ausreiseanträge. „Die rumänischen Behörden“, stellte im Januar 87 eine westdeutsche Zeitung richtig fest, „die sich sonst einer allgemeinen Erhöhung der Ausreisequoten widersetzen, sollen sich bei Ausreiseanträgen von Repräsentanten des deutschen Kulturlebens auffällig entgegenkommend zeigen“. Inzwischen sind vier rumäniendeutsche Autoren in die BRD übergesiedelt. Alle vier hatten den Protestbrief in der Sache Frauendorfer 1984 unterschrieben. Ausreiseantrag abgelehnt Im Winter 1986 sollte Frauendorfer als Redakteur der Bukarester Literaturzeitschrift Neue Literatur angestellt werden. Der Geheimdienst vereitelte seine Anstellung in letzter Minute. Das Publikationsverbot wird jedoch aufrechterhalten. Am 12. 4. 1987 - seine Schriftstellerkollegen waren inzwischen emigriert - wird sein Ausreiseantrag abgelehnt. Ohne jedwede Begründung. Frauendorfer selbst stellte einen Aufnahmeantrag in den VS (Verband deutscher Schriftsteller). In einem Brief an den VS berichtet er über seine Situation. Inzwischen wurde Frauendorfer VS–Mitglied. Zur Zeit ist zwischen Frauendorfer und seinen im Westen lebenden Kollegen eine totale Kommunikationssperre verhängt. Es ist praktisch nicht zu erfahren, was mit Frauendorfer geschehen ist. Unklare Situation Ebenso unklar ist die Situation des rumäniendeutschen Autors Helmut Seiler, der in Trgu Mures bis im Winter 1985 als Deutschlehrer arbeitete. Nachdem er einen Ausreiseantrag gestellt hatte, erhielt er Berufsverbot (sowohl als Lehrer als auch als Schriftsteller). Sein Gedichtband „Die Einsamkeit der Stühle“ konnte noch 1982 erscheinen. Ein weiteres Buch folgte nicht mehr. Sein Name darf in der Presse nicht genannt werden, die Ausreise wird ihm ohne Begründung seit fast drei Jahren verweigert. Niemand kann voraussagen, was diesen rumäniendeutschen Autorinnen und Autoren bevorsteht. Vielleicht bastelt der Sicherheitsdienst schon an der Inszenierung eines Verfahrens? Man kann es nie wissen...