VoBo–Post beschlagnahmt

■ Fast 150.000 unausgefüllte Bögen bei den Sammelstellen der Volkszählungsgegner abgegeben / Die zentrale Koordination gestaltet sich schwierig / Gesamte Post der Berliner AL beschlagnahmt

Von Petra Bornhöft

Berlin (taz)– Bei den Sammelstellen der Volkszählungsboykotteure sind im ganzen Land bisher 145.000 bis 150.000 unausge füllte Fragebögen abgegeben worden. Mit der Bekanntgabe dieser Zahl antwortete das Bonner Koordinationsbüro der Zensus– Gegner am gestrigen Stichtag der Volkszählung auf den Bundesin nenminister: Zimmermann hatte mitteilen lassen, daß am 25. Mai Fragebögen an 25 Millionen Haushalte ausgegeben worden seien. Gleichzeitig weiteten sich zum Wochenbeginn die Beschlagnahmeaktionen aus: Auf richterliche Anordnung ließen gestern die Behörden die gesamte Post der Alternativen Liste Berlin erst zurückhalten und dann beschlagnahmen. Verwundert darüber, daß der übliche Postberg bis zum Mittag nicht eingetroffen war, erhielt die AL erst Stunden später die Nachricht, daß ihre Briefe und Pakete auf richterliche Anordnung hin beschlagnahmt worden seien. Auch bei einem Berliner Laden, dessen Adresse ursprünglich als Sammelstelle für unausgefüllte Zählbogen galt, blieb die Post gestern aus. In Kreisen der Vobo– Initiativen wird nicht ausgeschlossen, daß per Post zugeschickte Fragebögen die Sammelstellen nicht erreichen. Auch das Bonner Vobo–Koordinationsbüro wird „den Eindruck nicht los, daß unsere Post immer einen Tag später eintrifft“. Bei der alternativen Zählung sind noch ganz andere Schwierigkeiten aufgetreten. So klagen die Koordinatoren in Baden–Württemberg darüber, daß sie erst von einem Fünftel aller Initiativen einen Rücklauf von insgesamt 14.322 Bögen erhalten haben. Hochgerechnet auf die Zahl der Auskunftspflichtigen Bürger ergibt das knapp zwei Prozent Boykotteure im Ländle. In vielen Städten haben die Zähler noch gar nicht an der Tür geklingelt. Fortsetzung auf Seite 2 So schätzten Hannoveraner Vobo– Initiativen gestern vor der Presse, daß mindestens ein Drittel der Haushalte noch nicht angesprochen wurde. In Hannover wurden 14.000 Bögen „Altpapier“ gezählt. In Berlin gingen über 26.000 Zählbögen ein. In Frankfurt sollen die Zähler bis zum 12. Juni Erhebungsbögen verteilen. Eindringlich appellierte das Bonner Koordinationsbüro gestern noch einmal an die lokalen Vobo–Gruppen, sich mit Daten und Fragen an die regionalen und landesweiten Koordinationsstellen zu wenden. Unerwartete Unterstützung erhielten jetzt die Volkszählungsgegner aus den Reihen der Kommunen. In dem schwäbischen Garnisonsort Stet ten am Kalten Markt will Bürgermeister Horst Lupfer eventuell die Ergebnisse des Zensus anfechten. Denn laut Anweisung des badenwürttembergischen Finanzministeriums werden die rund 100 deutschen Familienangehörigen der französischen Militärs in seinem Ort nicht gezählt.