Ost–Berlin rüstet sich für Gorbatschow

■ Neue Abrüstungsinitiative des sowjetischen Parteichefs erwartet / Teilabzug sowjetischer Truppen aus Mitteleuropa?

Berlin (ap/taz) - Was passiert, wenn Gorbatschow am Mittwoch in die Hauptstadt kommt? Denken die einen an einen neuen, vielleicht sensationellen Abrüstungsvorschlag des Kremlchefs, sorgen sich die anderen darum, wie man die spontane Begeisterung für Gorbatschow in der DDR in Grenzen halten kann. Denn langsam mehren sich auch im ersten Sozialistischen Staate deutscher Nation die Stimmen, die von der sowjetischen Entwicklung Anstöße für eine eigene Öffnung erwarten, wie die von Jürgen Kuczynski, dem Nestor der DDR–Wirtschaftswissenschaft, für den „Gorbotschow die Sternstunde seines späten Lebens“ ist. Daß auch die Abrüstungsvorschläge ihren Teil dazu beitragen, die Popularität des sowjetischen Parteichefs zu erhöhen, wird diesmal vielleicht noch stärker sichtbar werden. Denn wenn die Annahmen der Experten stimmen, wird Gorbatschow am Donnerstag vor dem „Politischen Beratenden Ausschuß“ der Staaten des Warschauer Vertrages in Ost– Berlin seine Abrüstungsvorschläge konkretisieren. Der Sprecher des DDR–Außenministeriums, Wolfgang Meyer, erklärte am Montag zwar lediglich ganz allgemein, auf der Tagung des Politischen Beratenden Ausschusses würden praktische Schritte und „Maßnahmen der Rüstungsbegrenzung und Abrüstung, zur Schaffung einer atomwaffenfreien Welt und ein umfassendes System der internationalen Sicherheit beraten werden“, doch denkt man im diplomatischen Corps und bei den Journalisten an ein neues Angebot Gorbatschows, das vor allem den konventionellen Bereich berühren wird: Möglicherweise kündigt Gorbatschow den Rückzug von Teilen der sowjetischen Truppen aus der DDR, der CSSR, Ungarn und auch aus Polen an. In seiner Tischrede beim Rumänienbesuch in Bukarest drückte der sowjetische Parteichef am Dienstag die Hoffnung aus, daß ein Abkommen über den Abbau der Mittelstreckenraketen „eine Art Kettenreaktion“ auslösen werde, wodurch Europa von der Konzentration der „monströsesten Menge von Waffen in der Geschichte der Menschheit“ befreit werden könne. Und der rumänische Diktator Ceausescu forderte bei dieser Gelegenheit, einen „resoluten Fortschritt bei den konventionellen Waffen“ zu machen. Ceausescu erinnerte daran, daß Rumänien seine Militärausgaben einseitig um fünf Prozent gesenkt habe, was ihm zwar die Anerkennung seines Gastes eintrug, doch die kühle Atmosphäre zwischen den beiden Parteichefs nicht gelockert hat. er