Einsturzgefahr in Niedersachsen

■ Nach dem Desaster in Gorleben: Wohin mit dem Atommüll?

Selten saß der seit elf Jahren selbstherrlich regierende niedersächsische Ministerpräsident Ernst Albrecht (CDU) so sehr in der Patsche wie in diesen Wochen. Erst machen ihm Zehntausende von Studenten, aufgebracht durch die einschneidenden Sparbeschlüsse im Bildungsbereich die Hölle heiß, dann gerät auch noch eines seiner Lieblingsprojekte, das „nukleare Entsorgungszentrum“ in Gorleben, ins Schlingern. Albrecht weiß, daß nicht nur der Salzstock in Lüchow–Dannenberg ins Wanken geraten ist. Nach dem Grubenunglück mit tödlichem Ausgang wird auch die geplante Atommülldeponie „Schacht Konrad“ in Salzgitter, in der 95 Prozent des in der BRD anfallenden radioaktiven Abfalls eingelagert werden sollen, zunehmend kritisch betrachtet. Die Frage, wie und wo der auf Jahrtausende strahlende Müll beseitigt werden soll, wird wieder so vehement diskutiert wie zu Beginn der 80er Jahre. Für „Schacht Konrad“ kann niemand eine Garantie darüber abgeben, ob in das bis heute „trockene“ Bergwerk nicht irgendwann doch Wasser eintreten und die tödliche Strahlung damit in den Biokreislauf gelangen wird. Und im Falle Gorleben ist noch nicht einmal gewährleistet, ob die Bergleute unbeschadet bis zu dem Salzstock vordringen können, in den die abgebrannten Kernbrennstäbe versenkt werden sollen. In beiden Deponien kann, wenn überhaupt, erst Jahre später als geplant Atommüll eingelagert werden. Ein „Entsorgungsnotstand“ zeichnet sich zum Ende dieses Jahrzehnts ab. Und nicht nur das. Einige Atomkraftwerke, sowohl im Betrieb als auch noch im Bau befindliche, wurden nur genehmigt, weil sie Gorleben für den hochradioaktiven und „Schacht Konrad“ für den restlichen verstrahlten Müll als „Entsorgungsnachweis“ angegeben haben. Wackelige Gesteinsschichen hier und ein möglicher Wassereintritt dort können nun das Atomprogramm insgesamt ins Schwimmen bringen. Zu beiden Deponie–Standorten gibt es keine Alternative. Die Bundesregierung hat abgelehnt, andere Standorte untersuchen zu lassen. Bis zum Beispiel für das geplante AKW Lingen II oder den laufenden Reaktor Grafenrheinfeld ein konkreter „Entsorgungsnachweis“ vorliegt, wird einige Zeit ins Land gehen. Wenn überhaupt jemals etwas daraus wird. Axel Kintzinger