Nackte Wassermelonen

■ Tonbänder mit Appellen an den islamischen Mann kursieren in Istanbul / Der Autor steht jetzt vor Gericht

Berlin (taz) - „Wenn du eine Wassermelone kaufst, wirst du dann eine ohne Schale nehmen und nach Hause tragen? Sie wird staubig sein und die Fliegen werden sich daraufgesetzt haben. Wenn du aber eine Melone ohne Schale nicht nach Hause trägst, weil sie schmutzig ist, warum führst du dann deine Tochter und deine Frau völlig nackt an deinem Arm spazieren, ohne dich zu schämen? Kann man dich als Moslem bezeichnen? Ein richtiger moslemischer Mann läßt seine Frau nicht nackt herumlaufen.“ Der vermutliche Autor dieses flammenden Aufrufs an den stolzen islamischen Mann, der radikal–islamische Geistliche Timurtasch Hodscha, steht seit einer Woche wegen Aufrufs zur Errichtung eines islamischen Staats in Istanbul vor Gericht. Der Appell kursiert unterdessen nach Angaben der türkischen Tageszeitung Cumhuriyet auf Kassetten in Istanbuler Moscheen und Plätzen. Die Polizei, mit Beschlagnahmung linker Texte immer schnell bei der Hand, l äßt diesmal auffällige Rücksicht walten.In der Tat erweist sich der seit wenigen Monaten propagierte Kampf gegen die Islamisierung der laizistischen Türkei als ein riesiges Pulverfaß. Seit im Januar ein Erlaß herausgegeben worden war, wonach Studentinnen in Zukunft an den Universitäten das islamische Kopftuch nicht mehr tragen dürfen, reißen die Proteste nicht ab. Vergangene Woche waren sieben Studentinnen vor der religionswissenschaftlichen Fakultät in Izmir in den Hungerstreik getreten, um gegen das Kopftuchverbot zu protestieren. Nachdem ihnen zugesagt worden war, in dieser besonderen Fakultät das Kopftuch weiterhin tragen zu dürfen, hatten sie den Hungerstreik abgebrochen, dafür einen Sitzstreik begonnen, um das gleiche Recht für Studentinnen aller Fakultäten zu erstreiten. Der YÖK–Vorsitzende Ihsan Dogramaci erklärte gegenüber der Presse, Studentinnen der Religionswissenschaften und Studentinnen anderer Fakultäten sollten sich „in zeitgemäßer Form“ verhüllen dürfen - was immer das auch heißen mag. ant