Die Queen auf Stippvisite in der taz

■ taz als typischer „High–Tech–Betrieb“ Vorbild für britische Industrie / Die „Nur“–Königin in der Frauenredaktion / Besonderes Interesse des Prinzgemahls an der Sportseite / Solidarität mit den Walen, aber keine Auskunft über den Zwist mit Thatcher

Von Ulli Kulke

Berlin (taz) - Dem unbefangenen Beobachter, der am Mittwoch gegen neun Uhr dreißig die Straßenkreuzung Watt–/Voltastraße im Berliner Wedding passierte, ließ die Szenerie nur einen Schluß zu: Die taz wird (mal wieder) von der Staatsgewalt heim– und durchgesucht; durchgängige Farbkombination der rund um das Redaktionsgebäude postierten Fahrzeuge: grün–weiß. Lange hatte man sowieso drauf gewartet, wegen Volkszählungsboykott. Wer dann etwas genauer hinsah, wurde allerdings stutzig. Seit wann führen Londoner Dienststellen bei derlei Unternehmungen die Oberaufsicht? In vier dunkelblauen Limousinen mit britischen Kennzeichen saßen bewaffnete Uniformierte und lauschten piepsenden Funksignalen. Die Fratze einer Besatzungsmacht? Hinter dem scheinbar so normalen wie gemeinen Vorgang verbarg sich indes im ersten Stockwerk des Eckhauses eine Situation, wie sie bizarrer nicht sein könnte: Königlicher Besuch in der Redaktion der taz, Small–talk und eine spontane Ansprache, ein zügiger Gang durch die Räumlichkeiten vom Archiv bis zum Zentralcomputer, und in der Cafeteria die obligatorische Tasse Tee (trotz indischer Alternativware immerhin ohne sichtbares Naserümpfen der Herrscherin über das Reich der Teetrinker). Wer hätte das gedacht? Die Queen in der taz anläßlich ihres zweitägigen Berlin–Besuches. Beziehungen sind eben doch alles, auch im Leben einer Potentatin. Prinz Philip, ein Mann mit reichlicher Journalisten–Verwandtschaft, dank seiner Herkunft des Deutschen mächtig, hat ein Faible für das bundesdeutsche Pressewesen. Leider liegt bei ihm auf dem Frühstückstisch (“noch“, wie er mit der Teetasse in der Hand erklärt) „die az mit dem F davor und nicht mit dem T“. Doch immerhin, das eine oder andere Mal habe er das „erfrischende“ Produkt aus Berlin persönlich studiert. Insbesondere die Sportseite erfreut sich nach seinen Worten regen Interesses in den Suiten des Buckingham–Palastes. taz–Macher wie -Leser sollten jedoch keine voreiligen Schlüsse ziehen. Es war ganz offenbar weniger das Produkt als die Produktion, die das „ exzellente“ Interesse an der taz (wie auch an zwei weiteren benachbarten Firmen) geweckt hat. Großbritannien sieht seine Zukunft ebenso wie Berlin in der Produktion von High–Tech sowie in höchst–innovativen bis ungewöhnlichen Unternehmensgründungen (mit inzwischen sichtbarem Erfolg). Und die taz als modernst ausgerüsteter High– Tech–Betrieb ist - wer wollte das bezweifeln - äußerst innovativ; schon gar aus der Sicht eines so traditionsreichen Hauses wie das der Windsors. Ob Prinz Philip persönlich oder sein Statthalter in der Halbstadt diesen Punkt ins Besuchsprogramm einbaute, war von beiden nicht zu erfahren. Aber warum soll nicht auch ein Prinz einmal über seinen hoheitlichen Schatten gesprungen sein, wenns um die Zukunft seines Landes geht? Auch wenn die Zeit nur kurz bemessen war, so reichte sie doch für wahrhaft denkwürdige Situationen. Philip, auf dem Weg in die Sportredaktion, (um dieselbe in Sachen Polo–Artikel vom vergangenen August zur Rede zu stellen?) sah sich unversehens mit seiner Gemahlin im Sport–“Vorzimmer“, nämlich der Frauenredaktion. Da stand sie nun neben den Schreibtischen der Emanzipationskämpferinnen, die „Nur“– Königin und ansonsten Berufslose wie die „Nur“–Hausfrauen. „Glücklicherweise hat sie von ihren Zofen am Morgen keine lange Schleppe verpaßt bekommen“, werden Beobachter der Szene gedacht haben. Der Flurboden, wie auch die übrigen Räumlichkeiten, waren nach dem sehr kurzfristig geäußerten Besuchswunsch keiner Reinigung mehr unterzogen worden, ein Kompromiß des taz– Plenums. Ohnehin lautstark umstritten (man war am Samstag zuvor kurz vor Raufhändeln), wäre der Beschluß, den hohen Besuch zu akzeptieren, ansonsten nicht mehrheitsfähig gewesen. Am produktionsfreien Tag (vor Himmelfahrt) konnten ohnehin diejenigen zu Hause bleiben, die schon immer etwas gegen Krone, Zepter und dergleichen hatten, ohne die Arbeit zu verweigern. Immer rege, waren natürlich mehrere Ressorts darauf bedacht, ein königliches Wort zu dem einen oder anderen Spezialproblem zu erheischen. Der Ökologie–Redakteur kam dabei noch am weitesten, als er von Philip auf die Rolle seines Sohnes Charles bei der Bewahrung der Artenvielfalt angesprochen wurde (der World– Wildlife–Fund berief ihn als „Prince of Wales“ zum Schirmherrn seiner Wal–Solidaritäts– Kampagne). Der Vater stehe hier voll hinter dem Sohne, durfte sich der Umwelt–Ressortchef in seinen Block notieren. Schwieriger war es schon, als die Auslandsredaktion - stets bereit, Finger auf offene Wunden zu legen - zwischen Tür und Angel Näheres über die latenten Zwistigkeiten zwischen der Queen und der Eisernen Lady wissen wollte. Das Paar fand diese Frage sichtlich nicht „gentleman– like“, und der ökonomisch geschulte Philip brachte die Sprache lieber geschwind auf die im taz– Flur aufgehängte steil nach oben gerichtete Kurve der Abonnenten– Entwicklung (“ein Betrieb mit Zukunft“). Ob diese Abonnenten wiederum, die dafür Bares entrichten müssen, es gerne sehen werden, daß dem Königshaus als Geschenk ein Gutschein über ein taz–Freiabo mitgegeben wurde (“lebenslang, jeweils mit der Krone vererbbar“)?