Real–Tristesse

■ Grüne Realpolitiker/innen trafen sich in Frankfurt

Die grünen Realpolitiker, die sich am Donnerstag in Frankfurt versammelten, leckten ihre Wunden, klagten sich gegenseitig ihr Leid und starrten auf die fundamentalistische Schlange. Skrupel und Selbstzweifel plagten sie, ob denn der Weg zur Koalition mit Joschka Fischer und Waltraud Schoppe voran nicht doch in „blinde Gefolgschaft“ geführt habe, ob nicht das Siegesbewußtsein und der Wille zum Mitregieren an allzu selbstsicherer Euphorie gescheitert sei. Sie beschworen die Einheit der Partei und schürten doch die Kontroverse. Manch Grüner machte hier noch einmal die Fundamentalisten zum Erzfeind. Allen voran Otto Schily, der fast manisch darauf beharrte - und dies seit Wochen über die Grenzen der Peinlichkeit hinaus tut -, daß Jutta Ditfurth ihm zum persönlichen Tort auf der Welt sei. Dazwischen wirkten verloren und fremd die Realpolitikerinnen und -politiker mit ihren Problemen vor Ort. Sie könnten zur aufmerksamen Zielgruppe der Ökolibertären werden, die mit rhetorischem Geschick, taktischem Kalkül und sanfter Strategie versuchten, realpolitisches Terrain zu besetzen. Ihr einschmeichelnder, Emotionen ansprechender Versuch, die Grünen dazu zu bewegen, sich vom politischen Standort „links“ zu verabschieden, fand einiges Gehör. Die Realpolitiker machten sich selbst klein und fanden sich unversehens zwischen allen Stühlen wieder. Im externen und internen Spiel mit der Macht wird die Büroarbeit inzwischen von anderen erledigt, die Basis sucht verunsichert einen Mittel– und Ausweg und die Theorie haben derzeit die Ökolibertären erobert. Daran werden Selbstmitleid und Häme nichts ändern. Heide Platen