Sri Lanka weist Massaker–Berichte zurück

■ Widersprüchliche Meldungen über die Lage auf der Tamilen–Halbinsel Jaffna / Ausländische Delegation überflog das Kampfgebiet / Tamilen–Sprecher: Soldaten können sich erstmals wieder frei auf Jaffna bewegen / Presse–Spekulationen über die Haltung Indiens

Aus Madras Biggi Wolff

Die Regierung von Sri Lanka hat am Samstag Vorwürfe der Tamilenorganisationen zurückgewiesen, bei der Offensive auf der nördlichen Halbinsel Jaffna seien über 1.000 Menschen ums Leben gekommen. Als „terminologische Ungenauigkeit - um es milde auszudrücken“ bezeichnete der lankanische Außenminister Shahul Hameed die Erklärung des indischen Premierministers Rajiv Ghandi vom Vortag, daß es bei der Offensive ein „kalkuliertes Ab schlachten“ der Bevölkerung gegeben habe. Das berichtete am Sonntag die indische Zeitung The Hindu. Regierungsangaben aus Colombo zufolge wurden bei den Kämpfen 190 Menschen, darunter 140 Tamilenkämpfer und 30 Soldaten, getötet. Ein Sprecher der lankanischen Regierung wurde mit den Worten zitiert, die Truppen hätten die „völlige Dominanz über das Gebiet um Vadamarachi im Nordosten der Halbinsel Jaffna“ errungen. Die Truppen rückten aus allen Richtungen auf Jaffna–Stadt vor. Die Regierung könne die Offensive, die am vergangenen Dienstag begonnen hatte, binnen 24 Stunden beenden, man wolle aber in erster Linie das Leben der Bevölkerung schonen, hieß es weiter. Am Wochenende soll es zu einem Nachlassen der Kämpfe gekommen sein. Die Ausgangssperre für die gesamte Halbinsel Jaffna, die seit Dienstag in Kraft ist, wurde auch am Samstag nochmals verlängert. Wegen einer Kommunikationssperre der Regierung in Co lombo ist es kaum möglich, sich ein genaues Bild von der Situation auf Jaffna zu machen. Die Meldungen, die entweder von der lankanischen Regierung oder den Tamilenorganisationen im südindischen Madras stammen, sind in höchstem Maße widersprüchlich. Die Regierung ließ am Samstag eine Gruppe von Diplomaten und ausgesuchten Journalisten aus Frankreich, Großbritannien, der USA, BRD und Pakistan mit Hubschraubern über Jaffna fliegen, „damit sie sich selbst ein Bild machen können, daß die Beschuldigungen nur dazu dienen, Vorurteile im Ausland zu schüren“. Ein Reporter berichtete anschließend, an verschiedenen Stellen sei Rauch aufgestiegen. Offiziellen Stellungnahmen zufolge wurde dies mit zerstörten Waffenlagern der Tamilen erklärt. Die indische und die sowjetische Botschaft hatten die Einladung zum Besichtigungsflug abgelehnt. „Es ist sinnlos, die Geschehnisse aus einer Höhe von 4000 Fuß zu betrachten, ohne Möglichkeiten zum Kontakt mit der Bevölkerung in den umkämpften Gebieten zu erhalten“, erklärte der indische Botschafter, der das Unternehmen als „kosmetische Propaganda“ bezeichnete. Die Botschaft der UdSSR lehnte eine Teilnahme mit der Begründung ab, man betrachte das Ganze als eine „interne Angelegenheit (Sri Lankas) und sei an einer Einbeziehung nicht interessiert“. Ein Sprecher der Tamil Tigers in Madras gab bekannt, es sei erstmals gelungen, ein lankanisches Militärflugzeug abzuschießen. Die Maschine sei beim Start von der Luftwaffenbasis Palali zehn Kilometer von Jaffna entfernt getroffen worden. Balakujar Balakumar, Sprecher der Tamilen–Organisation Eros in Madras, meinte, die lankanische Armee sei dabei, den gesamten Osten der Jaffna–Halbinsel unter Kontrolle zu bringen. Erstmals seit 1985 würden sich die Soldaten wieder „frei auf Jaffna bewegen“. Durch den großangelegten Einsatz der Luftwaffe zur Unterstützung der Bodentruppen habe es habe es viele Opfer unter der Bevölkerung gegeben, sagte Balakumar am Sonntag. Nach der scharfen Verurteilung der „Massaker“ in Sri Lanka durch Rajiv Ghandi erging sich die indische Presse am Sonntag in Spekulationen über eine geplante Militärinvasion Indiens. Die Halbinsel Jaffna solle abgeriegelt und die Versorgung der lankanischen Streitkräfte unterbunden werden, hieß es beispielsweise im Hindu. Nach einer Kabinettssitzung in Neu Dehli am Samstag stritt der indische Verteidigungsminister jedoch entschieden ab, daß es Bewegungen der indischen Marine in den Gewässern Sri Lankas gebe. Indien habe nicht die Absicht, „in der gegenwärtigen ernsten Situation in Sri Lanka irgendwelche einschneidenden Handlungen vorzunehmen. Man hoffe darauf, hieß es in Neu Delhi, daß die Weltöffentlichkeit Druck auf die Regierung Jayewardene zur Beendigung der militärischen Offensive ausübe. Foto: P. Gall