Die Grünen vertagen wieder

■ Bundeshauptausschuß beschloß Strategiekongreß erst im nächsten Frühjahr / Gegen Parteipromis?

Aus Bonn Ursel Sieber

Auf die Frage „Grüne wohin?“ wird es so schnell keine Antwort geben. Das haben die Grünen am Wochenende deutlich gemacht. Erst im Frühjahr nächsten Jahres soll der Strategie–Kongreß stattfinden, von dem sich die Grünen die Rettung aus ihrer gegenwärtigen Krise erhoffen. Das beschloß der Bundeshauptausschuß, das höchste Gremium zwischen den Parteitagen, am späten Samstag abend. Die mehrheitlich den „Linksgrünen“ zugehörigen Delegierten, aber auch einige Realos aus den Ländern, die offenbar nicht nur einen Schlagabtausch zwischen grünen „Promis“ wollten, folgten damit den eher praktischen Überlegungen des Vorstandssprechers Christian Schmidt: Der Ökosozialist Schmidt sagte, er wolle, daß die Parteibasis diskutiere, und dazu sei „eine gewisse Vorlaufzeit“ notwendig. „Eine Neuauflage der alten Fundi–Realo–Kontroverse“ bringe nicht weiter. Die zweite Sprecherin, Jutta Ditfurth, ergänzte, notwendig sei eine vorbereitende Diskussion und „keine Showkämpfe auf der Schnelle“. „Das Gemetzel an der Oberfläche“ dürfe nicht weitergehen. Dagegen hatten die Realpolitiker Joschka Fischer und Hubert Kleinert gefordert, den Strategiekongreß „so schnell wie möglich“ zu veranstalten. Als Zeitpunkt schlugen sie den Außerordentlichen Parteitag im September vor. Fortsetzung auf Seite 2 Dort wollen die Grünen einer Grünen–nahen Stiftung ihr grundsätzliches Ja–Wort aussprechen. Hubert Kleinert verwies auf die Gefahr einer „Blockade der Gesamtpartei durch zugespitzte Flügelkonfrontation“ und verlangte, die „inhaltlichen Knackpunkte“ zwischen den Flügeln von der Frage „Raus aus der NATO“ bis zum Thema Gewalt alsbald umgehend auszutragen. Die Grünen müßten klären, ob sie „ein ökologisches Reformprojekt“ seien oder auf dem Weg zu einer „Sekte“. Freilich folgten nicht alle Realos diesem Ansinnen. So betonte Rolf Grösch, Realpolitiker aus Niedersachsen und neues Mitglied im Bundesvorstand, ein Strategiekongreß im September hieße nichts anderes, „als daß dieselben zwanzig Leute reden wie bisher“. Deutlich wurden dabei Ressentiments gegen die „Promis“ vom eigenen Flügel. Von seiten der „Linken“ wurde den Realos mehrmals unterstellt, sie wollten den Strategiekongreß, um das grüne Programm zu verändern. Der Bundeshauptausschuß befaßte sich über mehrere Stunden mit der Zukunft der Grünen. Dabei hörte man allerdings nur der seit Wochen bekannten Flügel– Argumente: Hubert Kleinert sagte, „ein Fundamentalismus“ wie in Hamburg, der darauf verzichte, mit Angeboten zur Zusammenarbeit mit anderen Parteien reale Veränderungsschritte sichtbar zu machen, führe „ins Abseits“. Ein Delegierter vom ande ren Flügel betonte, die Mehrheit sei nur zu gewinnen, wenn die Grünen Konzessionen machten, „an den rechten Wählerrand der SPD“. Eine Delegierte aus Berlin forderte von den Hessen eine selbstkritische Aufarbeitung ihrer Koalitionszeit. In der Debatte zeigten sich gleichzeitig die Differenzen innerhalb der Hamburger Ökosozialisten: Michael Stamm war angereist, der zusammen mit dem Ökosozialisten Jürgen Reents der GAL bescheinigt hatte, daß die Stimmenverluste „gutteils hausgemacht“ seien: Mit der „harten Tolerierungslinie“ habe die GAL „den Erfolg Dohnanyis und ihre eigene Niederlage mit gesteuert“, heißt es in einem Reents– Papier. In der Resolution, die der Bundeshauptausschuß wiederum auf Grundlage eines Antrags von Christian Schmidt verabschiedete, findet sich zum Thema GAL nur der Satz, neben der Angst vor der „Schwarzen Republik“ und der „Zerschlagung aller Hoffnungen auf linke Kurskorrekturen durch die SPD“ hätten „offenkundig auch Fehler und Versäumnisse der GAL eine Rolle gespielt“. Die Resolution ist in weiten Teilen eine Kritik am Vorgehen prominenter Realos: Es sei „unterträglich“, wenn Tausende von Grünen für den Volkszählungsboykott arbeiteten und dann von einigen „Promis“ zur „Ordnung gerufen werden“. (Die Namen Schoppe und Schily wurden gestrichen.) Harsche Kritik erfuhr Otto Schily: Der Bundeshauptausschuß forderte ihn mit 21 zu 16 Stimmen auf, die Äußerung über Jutta Ditfurth (“wahnhaft verzerrte Wirklichkeitswahrnehmung“) zurückzunehmen.