Kaum Fragen an die Zeugen

■ Weitere Zeugenvernehmung im Prozeß um den Tod von Günther Sare / Drei Ärzte berichteten von ihren Eindrücken des Vorfalls / Die Staatsanwaltschaft hält sich auffallend mit Fragen an die Zeugen zurück

Aus Frankfurt Reinhard Mohr

Am dritten Verhandlungstag im Prozeß gegen zwei Polizeibeamte, denen die fahrlässige Tötung des Demonstranten Günther Sare vorgeworfen wird, traten nacheinander drei Ärzte in den Zeugenstand. Der Notarzt Dr. Berg schilderte noch einmal die schweren Brust– und Kopfverletzungen Günther Sares, nachdem er von dem Wasserwerfer, den die beiden Angeklagten gesteuert hatten, überrollt worden war. „Zwischen Unfall und Tod lag ein großer Zeitraum“, berichtete der Notarzt. Der Frankfurter Arzt Andreas Bohm beschrieb die „aufgeheizte aggressive Stimmung“, in der der Polizeieinsatz gegen die Anti–NPD–Kundgebung am 28. September 1985 sich entwickelt hatte. Gegen 21 Uhr hatte er eine „einzelne männliche Person“ im Strahl eines Wasserwerfers auf der Kreuzung Frankenallee/Hufnagelstraße beobachtet, die „ihm einige Zeit standhielt“. Dann sei der Mann in Richtung Hufnagelstraße weggelaufen, wegen des Wasserdrucks gestolpert, aber wieder aufgestanden und weiter gerannt. Bohm hatte den Eindruck, daß „das Ungetüm es auf den Mann abgesehen hat“. Denn der Einsatz von „WaWe 9“, die Typenbezeichnung für das neueste Modell, schien ihm polizeitaktisch „unmotiviert“. Menschenansammlungen seien ganz woanders gewesen. Wie der flüchtende Mann - höchstwahrscheinlich Günther Sare - von „WaWe 9“ überfahren und getötet wurde, hat Bohm nicht gese hen, der als erster Nothelfer zur Stelle war. In der Befragung durch die Verteidigung wurde deutlich, daß die Erinnerung von Augenzeugen eineinhalb Jahre nach dem Geschehen der Genauigkeit einer Skizze, wie sie im Gerichtssaal aufgestellt ist, nicht gerecht werden kann. So wußte Bohm nicht mehr, ob es der Strahl des „kleinen“ Wasserwerfers war, der Sare umgeworfen hatte, oder die Wucht der „Wasserkanone“ von „WaWe 9“, der mit 23 km/h herangeprescht kam und - „heftig spritzend“ - in die Hufnagelstraße fuhr. Auffallend war die Zurückhaltung der Staatsanwaltschaft, die so gut wie keine Fragen an die „Zeugen der Anklage“ stellte, während die Verteidigung eifrig bemüht war, deren Aussage zu zerpflücken. Der Prozeß wird am Mittwoch um 9.15 Uhr fortgesetzt.