Londoner Richter weist Zensur zurück

■ Aus Memoiren eines Geheimdienstlers über MI5 Komplott gegen Labour darf zitiert werden / Rückschlag für Thatcher

Aus London Rolf Paasch

Die Regierung Thatcher hat in ihren Bemühungen, die Memoiren des nach Australien ausgewanderten Ex–Geheimdienstlers Peter Wright zu unterdrücken, eine weitere Niederlage erlitten. Ein britischer Oberrichter wies am Dienstag die Klage der Regierung gegen die drei Tageszeitungen Independant, Daily News und Evening Standard zurück, die Auszüge aus den Memoiren mit dem Titel „Agentenjäger“ vorab veröffentlicht hatten. Die gegen zwei andere Zeitungen schon vor Monaten erwirkte einstweilige Verfügung, so urteilte der Richter, gelte nicht automatisch für alle Zeitungen und unter allen Umständen. Wenn es der Regierung wirklich um die Wahrung der nationalen Sicherheit gehen, dann könne sie sich ja des „Official Secrets Act“ (Geheimhaltungsakte) bedienen. Die Regierung versucht derzeit, die Publikation der Geheimdienst–Memoiren in Australien vor einem Gericht in Sidney verbieten zu lassen und argumentierte in Großbritannien mit der eigenwilligen britischen Rechtskonstruktuion der „Mißachtung eines Gerichts(verfahrens)“ gegen die Vorabveröffentlichungen in der Tagespresse. Sie wird nun gegen die Ablehnung der Klage Berufung einlegen. Die so unermüdlichen wie peinlichen Zensurbemühungen der Regierung Thatcher gelten vor allem den Anschuldigungen Wrights, eine Gruppe rechtsgerichteter Kollegen aus dem Geheimdienst MI5 habe 1974 gegen Premierminister Harold Wilson ein Komplott geschmiedet, um damals die Wiederwahl einer Labour–Regierung zu verhindern und Harold Wilson zu stürzen. Die Aufdeckung solcher „Wahlkampfpraktiken“ hinter den demokratischen Kulissen sowie anderer Missetaten der übereifrigen Geheimdienstler, so fürchtet Frau Thatcher, könnten der Forderung der Opposition nach einer parlamentarischen Kontrolle der Geheimdienste neuen Auftrieb geben. Die endgültige Entscheidung des australischen Berufungsgerichtes über das Zensurgesuch der britischen Regierung wird voraussichtlich erst im Herbst fallen. Ein US–Verlag hat jedoch bereits angedeutet, er werde mit der Publikation des „Agentenjägers“ nicht mehr solange warten. So prüft man denn gegenwärtig in den Rechtsabteilungen des Regierungsviertels in Whitehall, welche rechtlichen Möglichkeiten Frau Thatcher zur Verfügung stehen, das Buch auch in den USA verbieten zu lassen. Bezahlt hat dieses ganze juristische Spektakel bisher der Steuerzahler.