Grüne Position zu Null Null

■ Nach erbittertem Streit innerhalb der Fraktion werden die Grünen im Bundestag zur Abrüstungsdebatte Stellung beziehen / Abkehr von der Forderung nach einseitigen Abrüstungsschritten

Aus Bonn Ursel Sieber

Die grüne Bundestagsfraktion will nun doch mit einem eigenen Akzent in die Debatte um „Doppel–Null“ eingreifen: Die Frak tion verlangt jetzt, den Stationierungsbeschluß für die Pershing II und Cruise Missiles von 1983 einseitig aufzuheben, einen sofortigen Stationierungsstopp sowie „den unverzüglichen Abzug der bereits stationierten Pershing II und Cruise Missiles“ zu beschließen. Die Grünen fordern beide Großmächte auf, noch in diesem Jahr ein Abkommen über den Abbau aller landgestützten Mittel streckenwaffen mit einer Reichweite zwischen 500 und 1000 km abzuschließen. Und die 72 Pershing Ia der Bundesluftwaffe, verlangen die Grünen von der Bundesregierung, sollen „unverzüg lich“ verschrottet werden. So lauten die Passagen eines Antrags, den die Grünen morgen im Bundestag zur Raketenstationierung einbringen werden. Damit ist ein wochenlanger Streit zu Ende, der nicht nur zwischen den Flügeln der Fraktion, sondern auch zwischen dem Koordinationsausschuß der Friedensbewegung (KA) und der grünen Fraktion tobte. Die Fraktion hatte es abgelehnt, die Forderung nach einseitiger Aufkündigung des Stationierungsbeschlusses im Bundestag zu vertreten. Daraufhin mischten sich der Koordinationsausschuß der Friedensbewegung, der grüne Bundeshauptausschuß wie auch die Bundesarbeitsgemeinschaft (BAG) Frieden ein: Sie warfen der Mehrheit der Fraktion vor, „nun auch der Illusion eines Abrüstungsabkommens nachzulaufen und dafür eigenständige Schritte zur Abrüstung aufzugeben“. Sollen die Grünen auch in einer Situation an der Forderung nach einseitigen Abrüstungsschritten festhalten, in der ein Abkommen über Mittelstreckenwaffen wahrscheinlicher ist als vor ein paar Jahren? Und wie optimistisch soll man die Aussicht auf ein Abrüstungsabkommen bewerten? Das sind die Knackpunkte in diesem Streit, der auch am Dienstagabend erbittert ausgefochten wurde. Alfred Mechtersheimer sagte, es sei taktisch falsch, jetzt mit der Parole „kündigt den NATO–Doppelbeschluß“ aufzutreten. Diese Parole sei „nicht vermittelbar“. Auch gebe es von Seiten der UdSSR keine Zusage, ihre SS–20–Raketen einseitig abzuziehen, sondern nur die Bereitschaft zu Verhandlungen. Für ihn habe die Chance, nicht nur die Mittelstreckenwaffen im Westen, sondern auch die 1.300 Sprengköpfe im Osten abzurüsten, einen größeren Stellenwert als die Forderung nach einseitiger Abrüstung. Und Waltraud Schoppe ergänzte, man befinde sich historisch in einer anderern Situation als 1983. Wenn die Verhandlungen tatsächlich scheiterten, hielten die Grünen fest an der Forderung nach einseitiger Abrüstung. Die Gegenposition formulierten u.a. Christa Nickels und Werner Rätz vom Koordinationsausschuß: „Die Bundesregierung habe Einfluß auf den Gang der Verhandlungen, aber sie nutzt ihren Einfluß verdeckt für andere Zwecke“, meinte Christa Nickels. „Den besten Einfluß, den dieses Land auf das Zustandekommen eines Abkommens hat, ist die Rücknahme des Stationierungsbeschlusses“, meinte Werner Rätz. Dieser Argumentation folgte die Fraktion schließlich mit 18 zu 10 Stimmen.