Nun wirds ernst für Flieger Rust

■ Vermutungen über Hintermänner beim Sensationsflug zum Roten Platz werden lauter / Anklageerhebung gegen Rust immer wahrscheinlicher / Sowjetische Armeezeitung: Rust hätte abgeschossen werden müssen

Berlin (taz) - Der Ton in den sowjetischen Medien wird schärfer. Die politisch Verantwortlichen scheinen ihre Sprache gegenüber der aufsehenerregenden Landung des Mathias Rust auf dem Kreml– Platz wiederzufinden. „Fremder Luftraum ist kein Ort für Späße“, heißt es in einem Artikel der von der Nachrichtenagentur Nowosti herausgegebenen Moskow News. Für den Autor Jegor Jagowlew müsse Rust seine Tat vor Gericht verantworten, auch wenn dieser die Folgen seines Abenteuers nicht bedacht haben sollte. Schon erklärt die sowjetische Armeezeitung Rote Fahne in ihrer gestrigen Ausgabe, daß die sowjetischen Luftstreitkräfte die „Luftraumverletzung“ hätten beenden müssen, als sie beim Eindringen in den sowjetischen Luftraum von der Luftabwehr entdeckt wurde. In dem Artikel wird mit höchstem Lob einem Flugkapitän gedacht, der 1981 eine „ausländische Militärmaschine ohne Erkennungszeichen gerammt und zerstört“ habe. Daß der Flug von langer Hand vorbereitet war, ist nun nach Informationen des ZDF wohl sicher, denn Rust hatte sich am 4. März bei einer Frankfurter Firma entsprechende Landkarten für die Ausarbeitung der Fluglinie nach Moskau bestellt. Die sowjetische Nachrichtenagentur TASS zitierte die Rheinische Post, in der die Vermutung aufgestellt wurde, daß Rust das gutgläubige Opfer von Hintermännern geworden sei, die den Gipfel des Warschauer Pakts in Ostberlin hätten stören wollen. Wenn nun auch der Chefredakteur der deutschsprachigen Zeitung Sowjetunion heute, Albert Jegorow, von einer „persönlichen Demütigung“ und einer „tiefen Beleidigung“ für die sowjetischen Bürger spricht und an die historische Stätte „Roter Platz“ erinnert, scheinen die auch in der Sowjetunion belustigten bis erstaunten ersten Reaktionen nun endgültig von anderer Einschätzungen abgelöst worden zu sein. Auch der Deutschlandexperte Walentin Falin zog seine anfänglich gemachten Äußerungen von der baldigen Rückkehr des Mathias Rust zurück. Jegorows Vermutung, der „ehrgeizige junge Abenteurer“ sei von irgendjemand als Marionette ausgenutzt worden, scheint jetzt schon die offizielle Sprachregelung zu sein. Dagegen hat der Sprecher des sowjetischen Außenministeriums, Gennadi Gerassimow, die „zurückhaltende“ und „richtige“ Einschätzung der Bundesregierung zum Fall des spektakulären Moskaufluges von Mathias Rust gelobt. Er hoffe, daß die Angelegenheit keine negativen Folgen für die Beziehungen zwischen der Sowjetunion und der Bundesrepublik habe, erklärte Gerassimow am Donnerstag. er