Bärendienst

■ Diplomatisches Knäul um Mathias Rust

Langsam wird aus dem Spaß jetzt Ernst. Indem die sowjetischen Behörden die Anklage gegen Mathias Rust vorbereiten und sowjetische Journalisten von „Hintermännern“ für die Eskapade des jetzt in aller Welt populären Fliegers reden, mutiert die Mücke auf der Nase des Russichen Bären zum Elefanten. Wenn sogar die sowjetische Nachrichtenagentur TASS eine Vermutung der Rheinischen Post übernimmt, in der der Termin des Fluges in Zusammenhang mit dem Ostberliner Gipfel des Warschauer Pakts gebracht wird, ist der „Bubenstreich“ schon zu einem Politikum geworden. Und wenn man nun zum ersten Mal das sowjetische Publikum davon in Kenntnis setzt, daß die Landung auf dem Vorplatz des Kreml stattgefunden hat, dem Herzen Rußlands und dem Symbol der Macht, dann wohl mit der Absicht, sich eine schärfere Gangart offenzulassen. Beruhigend ist allerdings, daß Gorbatschow gerade jetzt keine außenpolitischen Konflikte haben will. In einer Zeit, in der es der Sowjetunion mit den Abrüstungsangeboten und der inneren Öffnung gelang, ihr Image nach außen unvergleichlich aufzumöbeln, wird man sich wohl kaum wg. Rust das sich entwickelnde außenpolitische Klima verderben lassen. Doch erst wenn bewiesen ist, daß Rust seinen Flug ohne Hintermänner ausgeführt hat, kann die Führung Milde walten lassen. Es liegt nun wohl in aller Interesse, solche Verdachtsmomente auszuräumen. Eine westliche Presse, die das nicht beachtet, sondern mit Blick auf die Auflagenzahlen sich ungebremst ihrer Sensationsgier hingibt, könnte so ihrem Heroen einen Bärendienst erweisen. Erich Rathfelder