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Wie aus Null plus Null 72 wird

■ Die Bundesregierung beharrt auf ihren eigenen (Atom)–Raketen im Mittelstreckenbereich

CSU–Chef Franz Josef Strauß gehört zu den vielen, denen die verquaste Sprache des Kanzlers gegen den Strich gehen. Man solle nicht von Doppelter Null–Lösung reden, schließlich will die Bundesregierung die 72 Pershing 1a Raketen behalten. Kohl nahm sich in der gestrigen Regierungserklärung den Rat zu Herzen und vermied jeden präzisen Begriff für die atomaren Rechenspiele seiner Regierung. Jetzt wird sich zeigen, wie diese Bonner Botschaft in Washington ankommt.

Bonn (taz) - Bundeskanzler Kohl hat auch in seiner gestrigen Regierungserklärung weder ein klares Nein noch ein klares Ja zur „doppelten Null–Lösung“ ausgesprochen. Kohl wies nur sehr allgemein darauf hin, „daß eine bindungslose Annahme des sowjetischen Null–Lösungsvorschlags für den Bereich von 500 bis 1000 km für die Bundesregierung nicht in Frage kommen konnte“. Er betonte erneut, daß die Pershing1a–Raketen mit den amerikanischen Sprengköpfen ausgenommen werden müßten. Damit wäre das halbherzige Ja zu einer doppelten Null–Lösung eine Farce: Die Pershing1a ist das einzige System, das auf westlicher Seite im Reichweiten–Bereich 500–1000 km existiert. Ähnlich äußerten sich die Vertreter der Regierungs–Fraktionen, wobei Union und FDP jeweils andere Akzente setzten. Alfred Dregger, CDU–Fraktionsvorsitzender, stellte ein Junktim zwischen Pershing1a–Raketen und konventionellen, chemischen sowie atomaren Waffen mit einer Reichweite unter 500 km her: Die Pershing1a der Bundeswehr werde erst „ihre Bedeutung ver lieren“, wenn in diesen Bereichen „ein Gleichgewicht der Kräfte“ hergestellt sei. Der CSU–Politiker Waigel sagte, solange „das erschreckende Übergewicht der UdSSR im Kurzstreckenbereich und im konventionellen Bereich anhält, ist für uns der Verbleib und die Einsatzfähigkeit der Perhing1a unverzichtbar“. Mit dem Wörtchen „Einsatzfähigkeit“ verlangte Waigel indirekt, daß die seit 1983 geplante „Modernisierung“ der Perhing1a durchgesetzt werden müßte. Geplant ist, die Pershing1a spätestens bis 1991 zu verschrotten, und durch die um eine Reichweitenstufe gekürzte Pershing1b zu ersetzen. Etwas nebulös äußerte sich dagegen der FDP–Politiker Uwe Ronneburger: Auch er betonte, daß die Pershing1a–Raketen nicht Gegenstand der laufenden Verhandlungen seien. Sie könnten aber in „weitere Verhandlungen“ einbezogen werden und „dabei auch in Frage gestellt werden“. Am Vortag hatte der FDP–Politiker Mischnik erklärt, die Modernisierung der Pershing1a sei für ihn nur dann zwangsläufig, wenn die Verhandlungen über die konventionelle Rüstung nicht vorankämen. Die gestrige Debatte zeigte, daß innerhalb der Union der Konflikt zwischen den sogenannten „Atlantikern“ und „Gaullisten“ wieder aufgebrochen ist. Bemerkenswert war, wie stark Kohl und Dregger ihre Akzente auf die deutsch–französische Zusammenarbeit in der Sicherheitspolitik legten: Die USA würden nun Mittelstreckenwaffen abziehen, „deren Präsenz auf deutschem Boden den Abschreckungsverbund zwischen Europa und den USA in einer Weise verdichtet hatte wie nie zuvor“. Dennoch dürfe die Lage „nicht zu pessimistisch“ beurteilt werden: Auch nach den beiden Null–Lösungen zögen sich die USA nicht aus Europa zurück. Wichtig sei nun, „daß Amerikaner und Europäer sich wieder darum bemühen, einander besser zu verstehen“. „Auf die Dauer entscheidend“ aber sei, „was die Europäer selber für ihre Sicherheit“ unternehmen: Nach den Präsidentenwahlen in Frankreich seien „zwischen Frankreich und Deutschland Sicherheitsvereinbarungen möglich, wie sie vor fünf oder zehn Jahren nicht denkbar gewesen wären“, sagte Dregger. Die Union sollte sich darauf vorbereiten. Dregger verlangte „eine engere Koordinierung Frankreichs und Deutschlands im Streitkräftebereich“. Sehr allgemein sagte er, für die „prästrategischen Waffen“ Frankreichs müsse bald eine Regelung gefunden werden, „die die Überlebensinteressen des deutschen Volkes denen des französischen gleichstellt“. Kohl betonte, „die sicherheitspolitische Gemeinsamkeit mit Frankreich wird immer wichtiger“. Verhandlungen über „konventionelle Stabilität in Europa“ seien „nur mit Frankreich vorstellbar“. Als der SPD–Vorsitzende Willy Brandt auf die Gemeinsamkeiten in der Sicherheitspolitik zwischen CDU und SPD zu sprechen kam, sagte er, es gebe „keine gute Zukunft ohne Europa“. Die deutsch– französische Zusammenarbeit sei dafür unerläßlich. Ursel Sieber

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