In Moskau Rätselraten um Rusts Motive

■ Zwar flog der Stern wohl nicht mit Mathias Rust nach Moskau, wohl aber will er jetzt mit den Eltern Rust zum Kreml fliegen

Berlin (taz) - War Rusts Flug ein persönlicher Mutbeweis, wurde er durch Hintermänner zu ganz anderen Zielen gesteuert, oder hat die Firma Cessna gar die Operation als Werbegag gestartet? Oder hat er so gehandelt, weil er wohl wußte, daß „die Presse in ihrer Gier nach Sensationen“ den „Rest seines Lebens finanzieren wird“? Der Stern jedenfalls habe „für jede Information bezahlt, die Rust liefern könnte“, erklärte der außenpolitische Sprecher Gennadi Gerassimow ironisch. Mit dem vorher ausgesprochenen Lob Gerassimows für die westdeutsche Haltung zu der Affaire hat nun auch die Prawda der westdeutschen Öffentlichkeit „eine auf Fakten basierende vernünftige Atmosphäre“ bescheinigt. Für die Parteizeitung allerdings ist Rust nicht davon ausgegangen, daß man ihn „als Held betrachten und ihn die ganze Welt bestaunen wird“. In ihrem Kommentar „Unbedachtes Abenteuer oder geplanter krimineller Akt“ hieß es am Freitag, Rust habe sich allerdings selbst und andere Menschen großen Risiken ausgesetzt. Während die Familie des im KGB–Gefängnis Lefertowo einsitzenden Jungfliegers Visaanträge für eine Moskaufahrt - in Begleitung des Stern natürlich - beantragt hat, bis zu deren Genehmigung sie wie alle Sowjetunion– Touristen noch mindestens zehn Tage warten müssen, bemühte sich die Botschaft Bonns in Moskau um ein weitere Gespräch mit Rust. Sowjetische Stellen hätten noch nicht gesagt, ob Rust angeklagt werde oder nicht. Rust muß mit einer bis zu zehnjährigen Haftstrafe für den Fall rechnen, daß er wegen der Verletzung sowjetischen Luftraums verurteilt wird. In Bonn hieß es, Diplomaten in der Bundesrepublik und in Moskau bemühten sich in intensiven Gesprächen mit ihren sowjetischen Kollegen, den Fall noch vor Weizsäckers Besuch in Moskau im Juli dieses Jahres zu lösen. Ob es Gespräche auf hoher Ebene gibt, war zunächst nicht zu erfahren. er