: Nächtliche Debatte über Gen–Technologie
■ Unter Ausschluß der Öffentlichkeit debattierte der Bundestag über den Bericht der Enquete–Kommission Gentechnik
Aus Bonn Oliver Tolmein
Am Donnerstag abend wurde im Bundestag das erstemal über den Abschlußbericht der Enquete– Kommission Gen–Technologie diskutiert: „Zu nachtschlafender Zeit unter Ausschluß der Öffentlichkeit“, wie der FDP–Abgeordnete Kohn kritisierte. Im Anschluß an die knapp vierzigminütige Debatte wurde der Bericht an dreizehn Ausschüsse des Bundestages überwiesen. Die Enquete–Kommission hat fast die gesamte letzte Legislaturperiode getagt und im Januar 1987 einen mehrhundertseitigen Bericht mit 180 Empfehlungen vorgelegt. In der Debatte am Donnerstag kritisierten die Redner von SPD, CDU/CSU und FDP scharf die, so Kohn, „ideologisch bedingte Außenseiterrolle der Grünen“. Die Grünen hatten als einzige Partei ein Minderheitenvotum erarbeitet, in dem sie ein Moratorium für die Gen–Technologie fordern. Regula Bott von den Grünen begründete in ihrem Beitrag die Kritik ihrer Fraktion an den Mehrheitsbeschlüssen: diese würden noch nichteinmal der militärischen Nutzung der Gen–Technologie und den Eingriffen am Menschen einen wirkungsvollen Riegel vorschieben: „Wir akzeptieren kein Restrisiko.“ Außerdem sei die Kommissionsarbeit weitgehend unter Ausschluß der Öffentlichkeit und kritischer Wissenschaftler erfolgt. Selbst der Abschlußbericht sei nicht in ausreichender Menge gedruckt worden. Dies „zu einem Zeitpunkt, zu dem die Bundesregierung gerade 46 Millionen Mark für ihre Volkszählungspropaganda lockermachte“. Der ehemalige Vorsitzende der Enquete–Kommission, Catenhusen (SPD), setzte sich in seiner Rede mit den Unmutsäußerungen des Verbandes Chemischer Industrie und der Deutschen Forschungsgemeinschaft über den Abschlußbericht auseinander. Beide Gruppen hatten eine „Tendenz zur Überschätzung von Risiken“ bei den Abgeordneten von CDU/CSU, SPD und FDP bemängelt. Catenhusen setzte dem entgegen, daß „angesichts bestehender Sorge in der Öffentlichkeit, die Kommission gut beraten war, auch hypothetische Besorgnisse“ zu berücksichtigen. Im übrigen stelle er mit Befriedigung fest, „daß bisher niemand gegenüber den Ergebnissen der Kommission den Vorwurf erhoben hat, daß dadurch die weitere Entwicklung der Forschung vor unüberwindbare Hürden gestellt wird“. Der Redner der CDU–Fraktion, Seesing, stellte in Aussicht, daß in den kommenden Ausschuß– Sitzungen kontrovers vor allem über die von der Enquete–Kommission beschlossene gesetzliche Verankerung der Sicherheitsrichtlinien diskutiert werde.
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