Q U E R S P A L T E Wände–Wende

■ Bundestag profiliert sich als Ringelpietz

Wenn die Grünen noch nicht im Bundestag wären, müßten sie jetzt dringend dafür kandidieren. Denn nun wird alles anders. Vergessen wir Notstandsgesetze, Flick, Kungeleien und Informationssperren - künftig werden die Abgeordneten in demokratischer Eintracht am runden Tisch sitzen, sich von Angesicht zu Angesicht in die Augen sehen, das einfallende Tageslicht wird das Gewissen der Parlamentarier erhellen und die unbesetzten Bänke werden keinen Bürger mehr erzürnen, können sie doch aus der trauten Runde bestens ausgeblendet werden. In der Debatte über die Beschaffenheit seines künftigen Häusles wuchs das Parlament geradezu über sich hinaus: Da wurde erfrischend quer durch die Fraktionen disputiert, ob nun moderner Abriß oder konservierende Instandsetzung besser die Tradition dieses „Orts gekämpfter Demokratie“ symbolisiere, ob das Herz der Fernseh–Bürger nur am dicken Adler der Rückwand hänge oder auch an den häßlich–vernagelten Planken der Rednertribüne. Kurz: Es ging „um die sehnsüchtige Suche unseres Volkes nach Identifikation mit sich selbst“ (CDU). Die historische Bedeutung des Moments begriff wohl am besten der Grüne Hubert Kleinert, der die Hände auf die Brust gepreßt ausrief: „Die Parlamentsgeschichte darf nicht der Spitzhacke zum Opfer fallen“, das sei ihm unerträglich. Daß gegen seine Fraktionskollegin Luise Teubner bei ihrer Jungfernrede gleich darauf sämtliche Alt–Parteien die verbale Spitzhacke schwangen, das gehört wohl auch zu dieser Parlamentstradition. Charlotte Wiedemann