I N T E R V I E W „Es hat sich ausgejungfert“

■ Die Theologin Uta Ranke–Heinemann verliert ihre Lehrbefugnis, wenn sie die Jungfräulichkeit Marias weiter anzweifelt

taz: Sie zweifeln öffentlich an, daß Maria als Jungfrau empfangen und geboren hat. Wie begründen Sie das? Uta Ranke–Heinemann: Die Jungfrauengeburt ist ein zeitbedingtes Vorstellungsmodell, dessen fortschreitende Ausformung man durch die Jahrhunderte verfolgen kann. Im ersten Stadium ist Josef noch der Vater von Jesus, im zweiten Stadium ist Maria Jungfrau bis zur Geburt. Im zweiten Jahrhundert stellt eine Hebamme dann fest, daß das Hymen Marias sogar bei der Geburt unverletzt blieb, Jesus sei „wie ein Lichtstrahl“ auf die Welt gekommen. Die letzte Krönung dieses Werkes ist dann die Behauptung des Kirchenvaters Hyronimus, daß Josef genauso immerzu jungfräulich war wie Maria. Das ist bis heute Stand der katholischen Theologie. Sie lehnen die Verehrung und Überhöhung der Jungfräulichkeit Marias als frauenfeindlich ab. Warum? In der Tat, es hat sich ausgejungfert. Man muß mal endlich dazu übergehen, „junge Frau“ zu sagen. Oder wie Paulus klipp und klar sagte: „Geboren von einer Frau“. Die Vorstellung, Maria wäre bei der Geburt tatsächlich Jugfrau geblieben, ist eine schwere Beleidigung für Frauen. Die Verletzungen, die eine normal Gebärende bei der Geburt hat - denn das Kind kommt ja nicht „wie ein Lichtstrahl“ auf die Welt - werden als Fluch dargestellt. In einem sehr renommierten theologischen Standardwerk „Mysterium salutis“ von 1969 ist allein auf einer Seite siebenmal vom „Fluch der Mutterschaft“ die Rede - außer bei Maria. Das möchte man sich als moderne Frau aber nicht mehr sagen lassen. Auch der Papst verkündet in seiner diesjährigen Marienenzyklika den Mythos - oder sagen wir ruhig mal wörtlich - den Aberglauben „Maria ist Mutter geworden, wobei sie ihre Jungfräulichkeit unversehrt bewahrte.“ Mit anderen Worten: Alle anderen Frauen müßten ein Versehrtenabzeichen tragen! Vom Bistum Essen wird Ihnen nun gedroht, diese Auffassungen zu widerrufen, andernfalls werde Ihnen die Lehrbefugnis entzogen. Was werden Sie tun? Ich halte das für ein unsittliches Angebot, daß ich offen und laut das Gegenteil dessen sagen soll, wovon ich überzeugt bin. Ich werde dieses unsittliche Angebot nicht annehmen. Ich glaube aber auch nicht, daß der Bischof widerruft. Sie sind Konvertitin, haben sich in den fünfziger Jahren bewußt für den Katholizisnus entschieden. Würden Sie das heute noch einmal tun? Damals hielt ich die Katholiken für unterdrückt, was mich dazu brachte, mich mit einem Übertritt zu solidarisieren. Inzwischen habe ich aber gesehen, daß die meiner Solidarität gar nicht bedürfen. Manchmal heißt es ja schon, ich sei von den Protestanten wie ein Kuckucksei der Katholischen Kirche quasi ins Nest gelegt worden. So daß sich manche schon fragen: Kann man den Konvertiten nicht wieder zurückschicken? (lacht). Das Interview führte Gunhild Schöller