I N T E R V I E W Mit Hönkel gegen die Verhärtung

■ Rätselhafte Hönkel–Simulationen anläßlich des Reagan–Besuches irritieren die Verantwortlichen Westberlins / Ein Hönkel: „Ein Volk ohne Hönkel ist ein unwissendes Volk“

Berlin(taz) - Staatsschützer wie Journalisten, alle runzeln konsterniert die Stirn: Seit Tagen hönkelt es in Westberlin, der „Dead–Wall–City“. Dem Phänomen war bisher nicht beizukommen. Niemand weiß Genaueres darüber, außer Innensenator Kewenig (CDU), der hinter Hönkel „potentielle Gewalttäter“ ausmachte, „die das Grundrecht der Demonstrationsfreiheit durch ihr Verhalten mit Füßen treten“. Die Hönkels selbst verstehen sich als „81er“ und stehen doch in der Tradition von Dada und Spaßguerilla. Ein vom „Hönkel Team–87“ produzierter Video–Clip - im Mittelpunkt steht der US– Präsident - lud in Freiburg, Hamburg, Kopenhagen und London „alle, die unverbesserlich erotisch sind“, zu den Berliner Festwochen ein. Die Resonanz soll groß gewesen sein. „Jeder ist Hönkel“ und „Hönkel sind Büchsenöffner im Supermarkt des Lebens“ verkündet das Band. Hönkels pflegen vornehmlich die versteckte Inszenierung. Ein Hönkel stand der taz Rede und Antwort. Alle sind im Hönkel–Rausch. Wie ist das entstanden? Ah, völlig drogenfrei. Ich hatte in dem Moment gerade geknutscht. Was steckt dahinter? Bei den Vorbereitungen zum Reagan–Besuch herrschte die totale Stagnation. Es wurde über vollkommen belanglose Dinge geredet, über antiimperialistische Veranstaltungen und Aufrufe. Damit konnte man sich die Nase putzen. Wir wollten mal am hiesigen Miteinanderumgehen rütteln, gegen die Kleingruppenaufteilung was tun. Kultur und Lebenskultur ist ja für viele Politniks ein Tabu, da darfst du mit denen nicht drüber reden. Wenn man mal darüber reden wollte, hieß es gleich, eh, ich hab keine Zeit, muß eine Anti–Reagan–Veranstaltung organisieren. Deshalb haben wir das Wort Lebenskultur einfach durch das Wort Hönkel ersetzt. Es ist ein Erfolg, daß inzwischen auch die Aktivisten das Wort in den Mund nehmen. Worin besteht der Hönkel–Zauber? Daß es dafür keine Erklärungen gibt. Es geht um Feste und Feiern, neue gruppendynamische Prozesse und nicht darum, sich nur noch Flugblätter um die Ohren zu schmeißen. Wir wollen Kultur und Leben miteinander verbinden. Veranstaltungen und Flugblätter sind zu wenig, sie führen zu Lustlosigkeit und zu Verhärtungen. Was ist statt dessen vorgesehen? Das bleibt jedem selbst überlassen. Jeder kann selbst überlegen, was die gegenwärtigen Aktionen von angeblichen Brandanschlägen über Trommelorgien in Kreuzberg bis hin zu Kiezküchen mit Hönkel zu tun haben. Polizei und Staatsschutz haben Hönkel mittlerweile in die terroristische Ecke gedrängt. Ja, extra wegen Hönkel kommen 1.000 Bullen aus Westdeutschland nach Berlin. Das ist doch Spitze, auch wenn wir uns davon nicht beeinflussen lassen. Die Berliner Wortfabrik hat sich schon bitter beschwert, daß Hönkel inzwischen für die finstersten Machenschaften mißbraucht wird. Ist Hönkel vielleicht doch eine Geheimwaffe des Berliner Senats, um die 750–Jahr–Feier endlich attraktiv zu machen? Nein, mit der Feier hat die Szene nur als Besucher zu tun, oder sie zieht Geld ab. Wenn in der Oper ein brennendes Auto vorgeführt wird, dann ist das was für die Kulturschickeria. Die nähert sich bestimmt nicht der Untergrundkultur. Interview: bmm