: D–marco–trafico gegen Pharma–Skandal
■ In Ecuador benutzt die Regierung Febres Cordero die illegale Parteienfinanzierung durch deutsche Stiftungen (“marco–trafico“), um von eigenen Korruptionsskandalen abzulenken
Fünf Monate nach ihrem Erscheinen wurde eine Recherche der taz zum Wahlkampfhit in Ecuador. Die illegale Finanzierung der heutigen Opposition der Christdemokraten durch die Hanns Seidel Stiftung (CSU) dient der jetzigen rechten Regierung als willkommene Munition gegen ihre Konkurrenz. Dies um so mehr, als Präsident Febres Cordero das Wasser bis zum Hals steht und er selbst in einem Pharma– Skandal verwickelt ist.
Ein Gespenst geht um im Andenstaat Ecuador: Der „Marcotrafico“, der Mark–Handel. Neben ihm nimmt sich der „Narcotrafico“ - so heißt der Kokainschmuggel hier allgemein - wie der kleine Bruder aus. Nicht die 6.000 US– Soldaten, die in den nächsten Monaten zum Straßenbau ins Land kommen, bedrohen die nationale Souveränität Ecuadors, nein, die Gefahr kommt aus Deutschland: Bundesrepublikanische Stiftungen finanzieren illegal ecuadorianische Parteien, natürlich die der Opposition. Und Ecuador wäre kein Rechtsstaat, wenn es sich nicht mit den gebotenen Mitteln zu verteidigen wüßte. Die örtlichen Vertreter der Konrad Adenauer Stiftung (CDU) und der Hanns Seidel Stiftung (CSU) sowie ihre Komplizen in den ecuadorianischen Parteien werden also vor den Untersuchungsrichter zitiert. Daß sich zumindest der Vertreter der Seidelstiftung weigert, macht die Sache erst recht suspekt. So jedenfalls sieht der oberste Landesherr Leon Febres Cordero die Lage. Den Enthüllungen der taz vom 24. Januar dieses Jahres über die dubiosen Praktiken der Hanns Seidel Stiftung ist nichts hinzuzufügen, und es gibt auch keine Abstriche zu machen. Georg Regozzini, Vertreter der Seidel Stiftung in Ecuadors Hauptstadt Quito, wie auch Wolfgang Schaupp von der Konrad Adenauer Stiftung bestreiten zwar global, daß ihre Institutionen hiesige Parteien finanzieren, doch sie haben dem konkreten Nachweis eben dieser Finanzierung der christdemokratischen Partei, der im erwähnten taz–Artikel erbracht wurde, nichts entgegenzusetzen. Nun ist aber aus diesem zwar teilweise illegalen, doch eigentlich recht undramatischen Geschäft eine ganz passable Staatsaffäre geworden. Febres Cordero fordert einen Bericht vom Auswärtigen Amt in Bonn, er läßt die deutschen Stiftungen in Quito durchsuchen. Die ecuadorianischen Buchprüfer warten ihren Opfern mit Belegen auf, in deren Besitz sie nur unter Verletzung des Bankgeheimnisses kommen konnten. Die Stiftungen bezichtigen die ecuadorianische Regierung des Vertragsbruchs und verweisen auf ihren diplomatischen Status, der sie vor rechtlicher Verfolgung durch die Behörden in Quito schütze. Just diesen Status bestreitet der ecuadorianische Außenminister expressis verbis. Die traditionell guten deutsch–ecuadorianischen Beziehungen, so heißt es, sind in Gefahr. In Gefahr sind sie deshalb, weil der ecuadorianische Präsident ein halbes Jahr vor den Wahlen jeden Faden aufgreift, um der Opposition einen Strick daraus zu drehen. Natürlich wußte er längst von den Praktiken deutscher Stiftungen, vor allem seit die Hanns Seidel Stiftung sich vom christdemokratischen Zentrum des Ex–Präsidenten Osvaldo Hurtado weg auf seine eigene christlichsoziale Regierung zuwandte, die am äußersten rechten Rand des hiesigen politischen Spektrums angesiedelt ist. Der taz–Artikel, der die Auseinandersetzung auch hier eröffnet hat, lag schon seit Monaten übersetzt in den Schubladen. Daß er just vor zwei Wochen vom konservativen Vistazo, dem auflagenstärksten Wochenmagazin Ecuadors, veröffentlicht wurde, und daß just seit zwei Wochen Präsident Febres Cordero, wie sein Vorbild Ronald Reagan ein dynamischer Reaktionär, mit den taz– Informationen auf die Köpfe der Opposition einhämmert, hat seinen Grund im absoluten Tief, in dem sich die ecuadorianische Regierungspolitik befindet: Der Ölpreisverfall und das Erdbeben, das Ecuador im März dieses Jahres erschütterte, haben die absehbaren katastrophalen Folgen der neomonetaristischen Wirtschaftspolitik des Präsidenten quasi vorweggenommen und das Land an den Rand des Ruins gebracht. Dazu kommen wiederholte Meutereien von Anhängern des früheren Luftwaffenchefs General Vargas Pazzos, die das politische Image Febres Corderos stark beschädigten. Außerdem mußte Finanzminister Domingo Cordovez jüngst zugeben, von der US– Entwicklungshilfeagentur AID unter der Hand Lohnaufbesserungen erhalten zu haben. In dieser Situation drohte ein Korruptions– Skandal das Faß zum Überlaufen zu bringen. In diesen Skandal um eine Pharmafirma ist vor allem der Industrieminister, aber auch der Präsident selbst verwickelt. Jamil Mahauad, Führer der Opposition, leitet die Untersuchungskommission. Da trifft es sich hervorragend, daß eben dieser Mahauad durch die taz–Veröffentlichung belastet wird und dem Präsidenten sich dadurch die Möglichkeit einer Retourkutsche eröffnet. Im Januar hatte der damalige Industrieminister Xavier Neira, ein enger Freund des Präsidenten, mit der Pharmafirma einen Vertrag über umgerechnet 26 Millionen Mark abgeschlossen. Die Firma sollte den Ankauf und die Verteilung von markenlosen Medikamenten im Rahmen eines Gesundheitsprogramms übernehmen. Der Gesundheitsminister Jorge Bracho hatte sich geweigert, den Auftag an Ecuahospital zu vergeben, da es weder die Kompetenz noch die infrastrukturellen Voraussetzungen vorweisen könne. Die Firma war ein Jahr zuvor von drei Männern mit einem Startkapital von knapp 1.000 DM gegründet worden und hatte bei Vertragsabschluß drei Beschäftigte. Doch Febres Cordero überhörte die Kritik seines Gesundheitsministers, der daraufhin zurücktrat, und übertrug die Kompetenz der Vertragsabschließung per Dekret ans Industrieministerium. Dort war Gunther Lisken, Sohn des deutschen Generalkonsuls in Ecuadors zweitgrößter Stadt Guayaquil, für die Kontrolle der technischen Abwicklung der Vereinbarungen zuständig. Ecuahospital erhielt eine erste Anzahlung über 1,4 Millionen Mark, deren Verbleib sie bei einer Überprüfung im Mai nicht nachweisen konnte. Starke Indizien sprechen dafür, daß ein Teil dieses Geldes an die Auftraggeber zurückgeflossen ist, allerdings in ihre privaten Taschen. Lisken wurde am 21. Mai verhaftet. Am vergangenen Samstag erklärte er sich vor dem Präsidenten des obersten Gerichts für unschuldig. „Wenn ich mich schuldig gefühlt hätte“, so Lisken, „wäre ich geflohen oder hätte mich versteckt. Ich hätte mich nicht schnappen lassen.“ Schuldig gefühlt hat sich vermutlich sein Chef, der frühere Industrieminister Xavier Neira. Der tauchte am 26. Mai ab, just zu dem Zeitpunkt, als der Haftbefehl gegen ihn erlassen wurde. Zwei Tage später meldete er sich per Zeitungsanzeige aus dem Untergrund zu Wort. Seither wird er gesucht. Der Konter der Regierung kam prompt. Auf Antrag des Chefs der Regierungspartei wurde am letzten Montag Jamil Mahauad seinerseits wegen des Stiftungsskandals vor den Untersuchungsrichter zitiert. Als Präsident Febres Cordero letzte Woche die ecuadorianische Stiftung CORDES durchsuchen ließ, meinte deren Leiter, der christdemokratische Ex–Präsident Osvaldo Hurtado, schnippisch: „Die sind mit so viel Polizei aufgefahren, als ob ich den Neira versteckt hätte.“ Mit dieser kleinen Bemerkung hat er die Auseinandersetzung um die deutschen Stiftungen vor der ecuadorianischen Öffentlichkeit in den richtigen (hiesigen) Zusammenhang gestellt. Thomas Schmid
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