: P O R T R A I T Anke Fuchs: „Ich bin der neue Geschäftsführer“
■ Politisch sieht sich Anke Fuchs in der SPD „so richtig schön in der Mitte“ / Auf dem neuen Posten will sie nicht nur Organisationstante spielen
Aus Bonn Ursel Sieber
Irgendwann im sonnigen Süden war die Idee plötzlich da. Anke Fuchs machte Urlaub mit ihrer Familie, und das Gespräch war wieder einmal bei dem angelangt, was ihr an der guten alten Tante SPD nicht mehr paßt. Da habe sich der Gedanke „festgehakt“, erzählt Anke Fuchs, selbst an führender Stelle in die Partei einzugreifen. Bei Willy Brandt fühlte sie vor, um dann ihr Interesse an dem Posten des Bundesgeschäftsführers über die Presse kundzutun. Und es hat geklappt. Am Montag zieht sie vom Bundestag in die „Baracke“ um, als erste Frau in dieser Position und als „gestandene Sozialdemokratin“ gegen angeblich linkslastige Tendenzen in der SPD. Anke Fuchs weiß, daß sie diesen Posten auch deshalb so mühelos ergattern konnte, weil sie „auch von der Frauendebatte begünstigt war“. Vielleicht betont sie deshalb, sie gehe „auch ganz bewußt als Frau dahin“. Sie offenbart jedoch ein traditionelles Selbstverständnis, wenn sie, wie am Abend ihrer Wahl im Parteivorstand, sagt, sie sei „der neue Bundesgeschäftsführer, beziehungsweise den Frauen zuliebe, die neue Bundesgeschäftsführerin“. Und wie sie diese Position für die Interessen von Frauen nutzen wird, bleibt nebulös. Anke Fuchs beläßt es bei einem Verweis auf die Symbolik: Der Weg nach oben als Signal, „daß Frauen Chancen nutzen müssen“ - und das habe sie getan. Im Nachsatz die Bemerkung, sie habe „dann auch immer Glück gehabt“, und irgendwie sieht sie, „daß es meistens noch Einzelwege sind, die für Frauen zum Erfolg geführt haben“. Zur Quotierung geht sie auf Distanz: „Ich bin mir noch unsicher, ob wir den Frauen in der SPD mit einer zahlenmäßigen Festlegung wirklich einen Gefallen tun; es besteht die Gefahr, daß in einer Partei auch eine Aversion gegen Frauen in der Politik entsteht.“ Politisch ist Anke Fuchs in den letzten Jahren offener geworden, obgleich ihre Grundhaltung, etwa zum Staat, konservativ geblieben ist. Manchmal wirkt sie bieder und auch ein bißchen männlich. Da merkt man den Stempel der Patriarchen– Partei. Sie ist partei–diszipliniert. Wie bei den allermeisten SPD–Frauen steht die Parteiräson obenan. Verbiestert ist sie jedoch nicht geworden, und Lebenshumor hat sie sich bewahrt. Ab und an schimmern Wunden durch, etwa als sie fast ein bißchen wütend erzählt, die Genossen hätten nach Rita Süssmuths Amtsantritt plötzlich gesagt, diese Frau sei wirklich weiblich, und so müßten Frauen in der Politik sein. Als Bundesgeschäftsführerin will sie nicht nur Organisationstante spielen, sondern auch konzeptionell eingreifen. Sie kritisiert die sogenannte „Lehrer–SPD“: „Früher waren Sozialdemokraten in den Gesangsvereinen oder bei den Kaninchenzüchtern“, heute habe sich die SPD „aus der Verzahnung in der Gesellschaft gelöst“ und sei in vielen Bereichen zu einer „In– Sich–Gesellschaft“ geworden. Ein „intellektueller Schub“ mit dem Ende der 60er Jahre habe die Partei „weggebracht vom Bürger“, und das müsse die SPD „langsam wieder umkehren“. Sie denkt darüber nach, wie sie die jüngere Generation um die 20 an die SPD binden kann, die nicht aus Enttäuschung zu den Grünen abgewandert sind: Sie ist auf der Suche nach Kommunikationsformen, „die das Dabeisein zu einem tollen Erlebnis machen“. „Organisatorisch ist die SPD in einem schlechten Zustand“, sagt sie, aber jede Kritik an ihrem Vorgänger Glotz weist sie zurück. Anke Fuchs hat „Stallgeruch“; sie wuchs in einem sozialdemokratischen Elternhaus heran; der Vater, Paul Nevermann, war Bürgermeister von Hamburg, die Mutter ebenfalls engagierte Sozialdemokratin. Die alten Größen der Partei gingen bei Nevermanns ein und aus. Tochter Anke war eine Jurastudentin mit Prädikatsexamen, wurde mit 34 Jahren in den Vorstand der IG Metall gewählt, als einzige Frau und Mutter von zwei kleinen Kindern. Sie empfiehlt den Müttern, im Beruf zu bleiben und fügt hinzu, „das Problem sind oftmals nicht die Kinder, sondern mangelndes Zutrauen der Mütter selbst“. Ab 1977 Staatssekretärin in Ehrenbergs Arbeitsministerium mit Schwerpunkt Rentenreform; 1982 wurde sie Bundesfamilienministerin. Ihren politischen Standort ortet sie „so richtig schön in der Mitte“. Einsortieren lassen will sie sich nicht und weicht wie die meisten Genossen aus mit dem Verweis auf die „Nürnberger Beschlüsse“. Doch entscheidend sind die Akzente, und da repräsentiert Anke Fuchs eher das, was man „Traditions–SPD mit Bodenhaftung“ nennt. Innerparteilich wird sie die Mitte– Rechts–Koalition stärken. Dem „Seeheimer Kreis“ steht sie nahe, dem Klüngelclub, in dem die traditionelle Rechte um Wischnewski und Rappe versucht, innerparteilich an Einfluß zurückzugewinnen. Gerade aus dieser Ecke wurde in den letzten Wochen vernehmlich gegen den Nürnberger Beschluß gegrummelt, in zehn Jahren aus der Atomenergie auszusteigen. Zu diesem Haufen versprengter Schmidt–Veteranen äußert sich Anke Fuchs heute vorsichtig, da spürt man die Geschäftsführerin. „Ich habe viele Freunde aus meiner politischen Vergangenheit, die zum Seeheimer Kreis gehören“, meint sie schnell, und fügt hinzu, daß sie sich auf dem neuen Posten keiner Gruppe zu sehr zuordnen möchte (Beim letzten Seeheim–Treffen war Anke Fuchs dabei). Sie betonte, „die Seeheimer müssen sich stärker in die Partei einbringen“, sprich: mit ihren Positionen Flagge zeigen. Anke Fuchs nennt das „die Seeheimer dialogfähig machen, weil sie das im Moment zu wenig sind“. Zu mancher Verlautbarung aus dieser Ecke geht sie auf Distanz: Bezogen auf einen Kommentar in der Zeitung der IG Bergbau, in dem es heißt, nur wenn sich die Partei von den „Fesseln“ der Nürberger Beschlüsse befreie, kehrten auch die Wähler zurück, sagt sie kurz: „Dieser Einschätzung stimme ich nicht zu.“ Als Ausweg aus der gegenwärtigen Misere beschwört sie Leerformeln, die derzeit alle Sozialdemokraten im Munde führen: „Die SPD muß sich auf sozialdemokratisches Profil besinnen und sich wieder etwas zutrauen.“ Es sei „falsch, rot– grün zu denken“; koalitionsfähig könne eine SPD nur sein, „wenn sie mehrere Optionen hat“. Wie die Sozialdemokratie insgesamt ist Anke Fuchs machtbewußt genug, um die Zusammenarbeit mit den Grünen auf Bundesebene nicht mehr auszuschließen.
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