Betriebsstörung allerorten

■ Kaufhäuser, U–Bahnen und Busse wurden dichtgemacht, um Proteste zu verhindern

„Hön–kel!“ tönt es aus dem Gefangenentransporter, der vor dem U–Bahneingang Wittenbergplatz steht. „Hön–Kel!“ kommt es aus der Mitte der am Einkaufen gehinderten Menschenmenge zurück. Doch die für Freitag mittag geplante Hönkel–Aktion - Treffpunkt 14 Uhr KaDeWe–Lebensmittelabteilung - war für dieses Mal in einer vereinten Aktion von Staat und Kapital zurückgeschlagen worden. Seit den frühen Mittagsstunden patroullierten Hamburger Einsatztruppen, notdürftig als „Berliner“ beschildert, rund um den Wittenbergplatz und kontrollierten die Eingänge des legendären Berliner Konsumtempels. Wer reinwollte, mußte sich einer Gesichtskontrolle und bei negativem Befund auch einer Taschenkontrolle unterziehen. Schwierig wurde es für junge Leute mit bunten Haaren und auffällig asymetrischer Frisur. Durch den Seiteneingang war es erheblich leichter, bis in die Verkaufsräume vorzudringen. Das Bild vom „Chaoten“ war offensichtlich nicht vereinheitlicht. In den Verkaufsabteilungen herrschte eine mit Spannung geladene Leere. Hausdetektive beäugten die um herstreifenden Kunden mißtrauisch. Auch die fühlten sich heute nicht sonderlich wohl. Den Kaufhaus–Managern erschien der massive Polizeischutz offenbar zwar notwendig aber nicht eben verkaufsfördernd. Sie postierten sich neben den uniformierten Kontrolleuren am Eingang und versuchten, den kopfschüttelnden Omis einen Weg durch die Kontrollen zu bahnen. Um 14 Uhr, als der Lautsprecherwagen der AL vor dem Kaufhaus auftauchte, war aber auch für die unbescholtenen Kunden der Einkauf zu Ende. Alle mußten das Haus verlassen, die Gitter wurden heruntergelassen und ein Schild mit der Aufschrift „Wegen einer Betriebsstörung geschlossen“ postiert. Die „Betriebsstörung“ fand dann auf der Straße statt. Um den AL–Lautsprecherwagen sammelte sich allerlei, von den dazwischen verteilten Polizisten schwer zu identifizierendes Volk. Auch grüne Partei–Prominenz zeigte sich. Jutta Ditfurth lächelte in gewohnter Weise siegesgewiß in die Menge. Die geplante Kundgebung mußte man allerdings absagen. Sie war kurz zuvor verboten worden. Die Beteiligung Hönkel–williger war ohnehin zu diesem Zeitpunkt eher spärlich. Es fehlte ein großer Teil der Kreuzberger Szene. Dort war gegen 13 Uhr die in die City führende U–Bahn– Linie kurzerhand dichtgemacht worden. „Wegen einer technischen Störung“, wie es hieß. Gegen 14.30 Uhr wurde dann auf dem Wittenbergplatz doch noch kurzfristig gehönkelt. Eine mit US–Fähnchen geschmückte Motorrad–Formation bahnte sich ihren Weg durch das Chaos von Polizei–Wannen und steckengebliebenen PKWs. Im Beiwagen saß Pappkamerad Ronald Reagan höchstpersönlich. Bei den Kontrollen dieser äußerst verdächtigen Eskorte kam es zu Rempeleien und einzelnen Festnahmen. Gegen 15 Uhr zerstreute sich die Ansammlung auf dem Wittenbergplatz, der AL–Anweisung folgend, den Protest in andere Teile der City zu tragen. Einer der Hamburger Einsatzpolizisten vor den KaDeWe–Toren wirft einen sehnsüchtigen Blick über die Schulter: „Jetzt sind wir schon ein paar Tage hier und sind noch nicht mal zum Einkaufen gekommen!“ Imma Harms