Beschluß über „Abi–Deform“ vertagt

■ Kultusministerkonferenz: „Annäherung in wesentlichen Bereichen“ / Kollegschulen demnächst vier statt bisher drei Jahre / 5.000 Schüler auf Protestkundgebung / Schwier mit Farbeiern beworfen

Von Jakob Sonnenschein

Dortmund (taz) - Von heftigen Schülerprotesten begleitet ist die in Dortmund tagende Kultusministerkonferenz am Freitag ohne eine Vereinbarung zur Neugestaltung der gymnasialen Oberstufe auseinandergegangen. Der Präsident der Konferenz, der baden– württembergische Wissenschaftsminister Helmut Engler, sprach in einem Resümee davon, daß die Minister in „wesentlichen Bereichen eine Annäherung ihrer Standpunkte“ erzielt hätten. Eine endgültige Vereinbarung im Oktober 87 halten alle Beteiligten ausdrücklich „für realistisch“. Aus sozialdemokratischen Teilnehmerkreisen wurde das absehbare Ergebnis zwar als „Krötenpapier“ bezeichnet, aber gleichzeitig betont, daß „niemand über den Tisch gezogen“ worden sei. Sicher ist, daß die umstrittenen Kollegschulabschlüsse in NRW als allgemeine Hochschulreife bundesweit anerkannt werden. Die Ausbildungszeit soll für doppelqualifizierende Abschlüsse von drei auf vier Jahre verlängert werden. Zukünftig werden bis zum Abitur zwei Fächer durchgehend zu belegen sein. Diese Regelung, die derzeit nur noch vom Hamburger Kultussenator Grolle in Frage gestellt wird, war schon in der schriftlichen Vorlage der „Amtschefkommission“ enthalten. Ursprünglich hatten die CDU–Länder drei Pflichtbelegungsfächer gefordert. Auf der Pressekonferenz sagte Grolle zwar, er sei „einigermaßen depri miert“, daß „wir einen weiteren Schritt in Richtung von Wegrationalisierung der Entscheidungsfreiheit von Schülern gehen“, aber seine Ankündigung, der Streit um die durchgehende Fächeranzahl gehe „in die Streitmasse“ für die nächste Konferenz ein, wird an dem Ergebnis nichts mehr ändern, weil in den anderen SPD–Ländern schon heute entsprechende Vorschriften gelten. Schon am Donnerstag abend hatte NRW–Kultusminister Schwier davon gesprochen, man sei „zwei Zentimeter von einer Einigung entfernt“. Die Dortmunder Konferenz wurde von einem großen Protestfestival begleitet. Etwa 5.000 Schülerinnen und Schüler umzingelten das Tagungsgebäude auf dem Dortmunder Uni–Gelände. Dabei kam es an einer zentralen Eingangstür während der Blockade zu gewaltsamen Auseinandersetzungen, in deren Verlauf mindestens ein Schüler vorläufig festgenommen wurde. Zivile Polizeibeamte schlugen auf mehrere Schüler brutal ein. Der Versuch von Schwier, mit den Schülern zu diskutieren, ging gründlich daneben. Eine Serie von Farbeiern traf den Sozialdemokraten, der sich auf ausdrücklichen Wunsch der Bundesschülervertretung zum Gespräch bereit erklärt hatte. Eingetaucht in leuchtendes Rot verließ der Minister die Bühne. Bundesschülersprecher Jürgen Bast hielt der SPD vor, „lediglich einen Teil der Schärfe“ aus dem „Abi–Deform“– Vorhaben herausgenommen und sich ansonsten dem Druck der Konservativen gebeugt zu haben. In einer Abschlußerklärung bewertet die Bundesschülervertretung ihre Aktionen als „tollen Erfolg“. Im Verlauf der Proteste sei die „größte Schülerbewegung“ der Republik entstanden. Dabei habe „die Angst um das eigene Abitur“ zwar eine große Rolle gespielt, aber gleichzeitig habe sich in den Aktionen „angestauter Frust gegenüber der Institution Schule und ihren Repräsentanten“ entladen.