Lehrstuhl gegen das Patriarchat

■ In Frankfurt wird endlich der Lehrstuhl für Frauenforschung besetzt / Die Sozialwissenschaftlerin Ute Gerhard–Teuscher wird ab Herbst zu den Schwerpunkten Frauenarbeit und Frauenbewegung lehren

Seit 15 Jahren fordern die Frauen an der Universität in Frankfurt einen Lehrstuhl für Frauenforschung. Ab Herbst wird es ihn nun geben. Noch rechtzeitig vor der Hessen–Wahl wurde dieser Beschluß gefaßt. Nachdem sich neun Frauen und ein Mann für den Frauenlehrstuhl für allgemeine Soziologie mit dem Schwerpunkt Frauenarbeit und Frauenbewegungen beworben haben, steht jetzt fest, daß Dr. Ute Gerhard–Teuscher nach Frankfurt gehen wird. Die 48jährige Sozialwissenschaftlerin und Juristin ist gebürtige Kölnerin und lebt seit 20 Jahren in Bremen. taz: Was wollen Sie in Frankfurt machen? Ute Gerhard–Teuscher: Frankfurt hat eine sehr traditionsreiche Frauenszene. Der Frauenlehrstuhl selbst hat eine lange Vorgeschichte, und es gibt mittlerweile sogar eine Veröffentlichung dazu, in der man nachlesen kann, was alles nötig war, an Go–Ins, an Briefen und Protesten, um hier einen Frauenlehrstuhl einzurichten. So daß der Lehrstuhl nun auch mit vielen Erwartungen belastet sein wird. Ich denke mir, daß ich da eine sehr interessante Aufgabe habe, die ich aber wohl nur mit Hilfe anderer Frauen ganz bewältigen kann. So wird auch die ursprüngliche Forderung, sehr viel mehr Professorinnenstellen zu schaffen, von mir weitergetrieben werden. Natürlich kann eine Frau nun nicht das Alibi sein für die bisher nur männliche Wissenschaft. Wo sehen Sie den Zusammenhang zwischen Frauenarbeit und Frauenbewegungen als Schwerpunktbereiche des Lehrstuhls? Es ist gut, daß der Lehrstuhl erst einmal für allgemeine Soziologie eingerichtet ist. Denn Frauenforschung will ja endlich dahin wirken, daß sich die bisher zwar allgemein verstehende Wissenschaft, aber doch vorwiegend aus dem Blickwinkel von Männern und im Interesse von Männern betriebene Wissenschaft endlich allgemein wird. Also auch die Frauen mit einbezieht als Forschungsgegenstand aber auch als Forschungssubjekte. Ein Schwerpunkt ist Frauenarbeit, denn die Frauenforschung hat erkannt, daß Frauenarbeit das Zentrum von Diskriminierung ist. Die geschlechtsspezifische Arbeitsteilung ist der Anlaß für alle weitere Diskriminierung. Frauen, die vorwiegend oder zusätzlich Hausarbeit machen, werden mit dieser Arbeit nicht anerkannt, nicht bezahlt und auch im Recht weiter diskriminiert. Der zweite Schwerpunkt heißt Frauenbewegungen. Das deutet einerseits darauf hin, daß der Lehrstuhl aufgrund der Frauenbewegung entstanden ist und auch die neue Frauenbewegung eine der wichtigen Thematiken sein wird. Andererseits heißt es auch, daß unsere Vorgeschichte, die alten Frauenbewegungen endlich mit in den Blick zu bekommen und zu untersuchen, wie es eigentlich kommt, daß diese Geschichte immer wieder vergessen wird. Haben Sie genug Mittel für Ihre Aufgaben zur Verfügung? Genau wird sich das erst in der Berufungsverhandlung herausstellen. Aber von der Stelle einer wissenschaftlichen Mitarbeiterin ist immer die Rede gewesen. Ich werde versuchen, nicht nur Dritt– Mittel einzuwerben, sondern auch dafür sorgen, daß mehr Frauen auf mehr Stellen kommen. Natürlich brauch ich dazu den Rüäckhalt der anderen Frauen. In Frankfurt gibt es ja eine sehr kompetente und erfahrene Gruppe von Frauen, die bisher schon Lehrveranstaltungen gemacht haben. Aber eben im Mittelbau, als wissenschaftliche Mitarbeiterinnen. Wie kriegen Sie das denn auf die Reihe, diese umfangreiche Arbeit und Familienleben in Einklang zu bringen? Das ist eine Frage, die sie einem Mann sicher nicht gestellt hätten. Ich bin in der glücklichen Lage, daß meine Familienphase größtenteils hinter mir liegt. Meine drei Töchter sind zwischen 17 und 19 Jahre alt. Aber ich weiß sehr wohl, daß die mit kleinen Kindern nicht möglich wäre. Da ich die Erfahrungen habe und jahrelang Nur–Hausfrau war, weiß ich, wovon ich rede, wenn ich von Frauenarbeit spreche. Es ist ein wesentliches Motiv für mich, daß andere Fauen es vielleicht mal einfacher haben und sich bewußt werden, daß es nicht ihr persönliches Schicksal ist, sondern ein gesellschaftliches Problem, daß die Väter abwesend sind. Es ist ja der Anlaß für Frauenforschung, Ungerechtigkeiten in der Gesellschaft zu analysieren und damit langfristig zu verändern - ein sehr kühnes und großes Vorhaben. Zu welchen Bereichen haben Sie bisher gearbeitet Ich bin Sozialwissenschaftlerin und habe vor meiner Heirat und den Kindern auch mal Jura studiert. Also mich interessieren die Rechte von Frauen, und warum diese Rechte nicht durchgesetzt werden können, die Frauen nach der Verfassung garantiert sind. Daher habe ich auch in meiner Dissertation historisch zum Thema „Frauenarbeit, Familien und Rechte der Frauen im 19. Jahrhundert gearbeitet. Dann habe ich ein Projekt an der Uni Bremen gemacht zu den Rechten arbeitsloser Frauen und eine Gruppendiskussion mit erwerbslosen Frauen durchgeführt. Das hat mir die Augen geöffnet, daß auch Frauen, die mit der Frauenbewegung nichts zu tun haben, inzwischen ein Problembewußtsein haben. Man braucht sie nur anzutippen, um zu merken, daß das Gefühl, ungerecht behandelt zu werden, überall vorhanden ist. Dann habe ich jetzt ein Projekt an dem Hamburger Institut für Sozialforschung zum Thema Sozialpolitik und Frauen durchgeführt. Mit Expertinnen zusammen habe ich erarbeitet, wie in allen sozialen Bereichen von der Rente bis zur Sozialhilfe die Diskriminierungspraktiken verlaufen, wie die systematische Benachteiligung von Frauen in unserem Sozialsystem angelegt ist. Zur Zeit arbeite ich in einem interdisziplinären Forschungsprojekt der Uni Bielefeld zum Thema Bürgerlichkeit. Wollen Sie sich neben der historischen auch um die aktuelle Frauenarbeit kümmern? Ja, ich habe in meinen Untersuchungen immer auch den Bezug zur Gegenwart hergestellt. Der Hauptpunkt, den die Frauenforschung aufs Korn genommen hat, ist eben das Verhältnis von Frauenarbeit zu Erwerbsarbeit. Und es gibt ja nicht nur diese beiden strikten Trennungen, sondern viele Beschäftigungsarten, die dazwischen liegen - zum Beispiel die ungeschützten Arbeitsverhältnisse von Frauen, die durch kein Recht und keine Sozialversicherung abgesichert sind. Wir sind ja nach wie vor eine sogenannte Arbeitsgesellschaft und unsere Arbeit entscheidet dar über, wie es uns in dieser Gesellschaft geht. Aus diesem Grund ist es für die Gegenwartsanalyse unerläßlich, immer auf die Arbeitsweise der Frauen zurückzukommen. Das bezieht dann auch mit ein, daß eine männliche Erwerbsbiografie nur denkbar ist mit Hilfe und auf Kosten einer Frau, die dem erwerbstätigen Mann zuarbeitet. Hier sind die Verhältnisse offen zu legen, die wir patriarchalische Gesellschaft nennen oder auch den Zusammenhang des Patriarchats, wie nach wie vor in unserer Gesellschaft über die Verfügung über die Arbeit von Frauen, über die Reproduktionsfähigkeit von Frauen Macht hergestellt wird. Und wenn Sie mal utopisch denken, wie das zu verändern wäre? Welche Idee haben Sie dazu? Ja, also vor lauter Klage und Analyse gehen manchmal die Hoffnungen aus und das ist wirklich schlimm. Aber wir Frauen können uns sehr gut denken, daß man Erziehungs– und Familienaufgaben mit den Männern teilen kann. Ich stell mir eine Gesellschaft sehr glücklich und schön vor, in der die Zuteilung der bisherigen Arbeit aufgehoben ist, in der nicht mehr Geschlechterrollen den Ausschlag geben, sondern die Vereinbarung zwischen Männern und Frauen, wie sie ihre Arbeit verteilen könnten. Spannend finde ich auch, daß diese Utopien von Frauen schon sehr alt sind. Ich denke, daß da nur ein ziemlicher Druck von Frauen etwas ändern kann. Bloß, wie man ändern will, ist dann eine beinah weltanschauliche Frage. Ich kann mir nur vorstellen, daß das über Vereinbarungen geht, daß man keine Gewalt einsetzen will, sondern Recht an dessen Stelle setzt. Und deshalb denke ich, obwohl es in der neuen Frauenbewegung nicht sehr modern ist, von Rechten zu reden, daß man doch nur über ein sehr rigides Durchsetzen von Rechten - die im Prinzip anerkannt sind, aber nur in der Wirklichkeit noch nicht durchkommen - auch weiterkommen kann. Das Gespräch führte Viola Falkenberg