I N T E R V I E W „Liebenswertes Kreuzberg“

■ Interview mit Ulrich F. Krüger (CDU), Kreuzberger Vertreter im Abgeordnetenhaus

taz: Der Reagan–Besuch hat zum Ausnahmezustand in Berlin geführt. Ein ganzer Stadtteil, mehr als 150.000 Einwohner, ist abgeriegelt und eingeschlossen worden. Krüger: Diese polizeiliche Maßnahme ist sicherlich von vielen kritisiert worden. Ich halte sie nicht für eine Überreaktion, weil die Tage und Nächte vor dem Reagan–Besuch Anlaß gaben zu der Befürchtung, daß es zu Aktionen kommen würde, die sich erheblich gegen die öffentliche Sicherheit richten könnten. Sie können doch nicht jedes Mal wenn Sie irgendwelche Straftaten befürchten, prophylaktisch einen ganzen Stadtteil dichtmachen. Das wird eine Frage sein, die wir morgen im Innenausschuß behandeln. Jedenfalls war aus vorangegangenen Erkenntnissen zu befürchten, daß über die öffentlichen Verkehrsmittel, insbesondere die U–Bahn, bestimmte Kräfte unter Mitführung von waffenähnlichen Gegenständen in die Sicherheitszone des Reagan–Besuchs hätten eindringen können. Die Maßnahmen der Polizei gingen doch soweit, daß selbst Mütter auf Fahrrädern mit Kindern, zwei–, drei–, viermal kontrolliert wurden. Frauen, die zum Einkaufen wollten, Schüler, Ärzte, Taxis, alles wurde kontrolliert. Der Erfolg hat diesen Maßnahmen recht gegeben, daß es nämlich im Umfeld des Reagan–Besuchs zu keinen Ausschreitungen gekommen ist. Ich möchte die Schlagzeilen in der ganzen Welt sehen, wenn es entlang der Route von Reagan zu Ausschreitungen gekommen wäre. Und um das zu verhindern, nimmt man polizeistaatliche Maßnahmen in Kauf, die wir bisher nur aus Lateinamerika kannten. Diesen Vergleich halte ich für kraß überzogen. Genau wie die Behauptung, das wäre ein Belagerungszustand gewesen. Jeder konnte sich innerhalb Kreuzbergs frei bewegen. Es gab für Personen, die Kreuzberg verlassen wollten, lediglich um die frühe Nachmittagszeit gewisse Schwierigkeiten. Was würde ihre Partei sagen, wenn der STASI in Berlin einen Stadtteil wegen zu erwartender Proteste abriegeln würde? Wenn die Autonomen erklären, sie wollen diesen Staat kaputt machen, sie wollen die Gewalt, dann kann sich ein Staat das nicht gefallen lassen. Er kann sich nicht zum Gespött machen lassen. Kreuzberg wird durch solche Maßnahmen endgültig ghettoisiert. Die Ghettoisierung ist von anderen Leuten vorweggenommen worden. Die Szene spricht doch schon vom Freistaat Kreuzberg. Für mich ist Kreuzberg einer der liebenswertesten Bezirke, der nur duch die Szene, von Chaoten, Autonomen, Punks und ähnlichen Leuten zerstört wird. Interview: -man–