Verges sät Zweifel im Barbie–Prozeß

■ Zeugenaussagen beendet / Versuch, Verges Zeugen zu blockieren / Zweifelhafte Aufrechnung des Staatsanwalts / Für wen sprechen die Zeugen? / Verges rechnet offenbar mit Verurteilung

Aus Lyon Lothar Baier

Gestern begannen im Barbie–Prozeß die Plädoyers der Nebenklage. Nach fünf Verhandlungswochen, in denen Zeugen und Nebenkläger ausgesagt haben, bleibt der Eindruck, daß das Gericht halbe Arbeit geleistet hat und immer noch der Strategie der Verteidigung nichts entgegenzusetzen weiß. Die letzte Zeugenvernehmung am vergangenen Montag galt den Zeugen der Verteidigung. Noch hatte keiner von ihnen den Mund aufgemacht, da reagierte die Gegenseite mit präventiver Hysterie. In Erwartung schreiender Anklagen vom Zeugenstand aus, die dann nicht kamen, beantragte ein Anwalt der Nebenklage die generelle Ablehnung der Zeugenanhörung: Schon weil diese Zeugen von der Verteidigung eines Klaus Barbie benannt worden seien, bedeuteten ihre Aussagen eine „Ver höhnung und Beschimpfung der Opfer“. Der Antrag ging selbst Kollegen von der Nebenklage zu weit. Oberstaatsanwalt Pierre Truche machte resigniert geltend, das Gericht habe viele sachferne Verlautbarungen von Zeugen der Nebenklage mit Engelsgeduld angehört - und die könne man nun gerechterweise den Zeugen der Verteidigung nicht verweigern. Der Antrag wurde abgelehnt. Dennoch zeigte sich auch Truche von der Aufregung angesteckt. In Erwartung der Anklage, die Barbies Verteidiger Verges mit Hilfe eines algerischen Zeugen gegen Frankreich führen könnte, daß es den Tod Tausender algerischer Kinder auf dem Gewissen habe, machte Truche eine komplizierte Rechnung auf, die beweisen sollte, daß sich die hohe Sterblichkeitsrate in den Sammellagern für Algerier ganz natürlich erkläre und auf keine verbrecherische Handlung als Ursache schließen lasse. Ein fatales Zahlenspiel, das an das Verfahren des Auschwitzleugners Faurisson erinnert, als Todesursache in den Vernichtungslagern der Nazis „Typhusepidemien“ anzuführen. Zweifel gegenüber allen Arten von Zeugenaussagen zu nähren, das war das Ziel der Zeugenbefragung, die Verges inszenierte. Der befürchtete große Schlag blieb aus. Aber das Spiel des Zweifels wurde auch von denen mitgemacht, die nicht mitspielen wollten, wie der Zeuge Raymond Aubrac, der, wie er betonte, nicht „für die Verteidigung“ auftrete, sondern nur „von der Verteidigung“ angerufen sei und nichts als der Gerechtigkeit dienen wolle. Dieser ehemals prominente Resistancekämpfer, der zusammen mit Jean Moulin von Barbies Gestapo verhaftet worden war, mußte sich von Verges Widersprüche zwischen früheren Aussagen vorhalten und ihn zudem einräumen lassen, daß Barbie im SIPO–SD von Lyon nicht die Rolle des allwissenden und allmächtigen Chefs gespielt haben konnte. Ein anderer Zeuge, der Historiker Froment–Delauney, sollte Zweifel an der Echtheit von Dokumenten anmelden. Er präsentierte dem Gericht eine Kopie des Izieu– Fernschreibens, auf der eine auf anderen Kopien sichtbare handschriftliche Fußnote fehlt. Ihm folgte ein ehemaliger französischer SS–Freiwilliger, der nach der Befreiung in Frankreich zum Tode verurteilt und anschließend begnadigt worden war und heute als Nuklearingenieur in Frankreich lebt: Eine finstere Gestalt, von Verges als Beispiel dafür vorgeführt, daß die französische Justiz eine Justiz des kurzen Gedächtnisses ist und dies auch gegenüber seinem Mandanten Barbie bleiben soll. Andere Zeugen, die von Verbrechen in Indochina und Algerien sprechen wollten, ließ das Gericht nicht zu Wort kommen, womit Verges den gewünschten Effekt erreichte: Während man die Zeugen der Gegenseite über alles mögliche sprechen lasse, beklagte er sich theatralisch, schneide man seinen Zeugen das Wort ab. In seinem Spiel gewinnt Verges auch dann, wenn er verliert, reden seine Zeugen auch dann für seine Sache, wenn sie nichts sagen. Und das Gericht spielt mit. Wie es den letzten Zug des Barbie–Verteidigers pariert, wird sich erst bei der Urteilsverkündung herausstellen: Verges hat beantragt, Barbie bei der Urteilsverkündung auf freien Fuß zu setzen, mit dem juristischen Argument, daß das zu erwartende Strafmaß in jedem Fall unterhalb der 1954 gegen Barbie verhängten Todesstrafe bleibt und deshalb nach dem Grundsatz der Nicht– Akkumulierung der Strafen in der damals ausgesprochenen Strafe aufgehen müsse. Der Antrag läßt darauf schließen, daß Verges, wie auch immer er Anfang Juli plädieren mag, von der Verurteilung Barbies ausgeht. Liebe Kollegen von drüben! Achtung! Es ist mal wieder soweit! Kreativität - heute - im Hier und Jetzt! Und zwar: Bitte die Bildunterschrift im Kasten soll nach Möglichkeit auch im selben bleiben, desgleichen bitte an den Kanten sauber ausschneiden und etwas übers Foto lappen lassen. Merci beaucoup, mes amis.