Großer Schmiergeld–Prozeß eröffnet

■ Wie der Münchner Baubetreuer Bernd Bertram (CSU) und der CDU–Politiker Lummer den Kampf gegen die Berliner Baumafia aufnahmen / Schmiergelder in Millionenhöhe / Referatsleiter weist Vorwürfe zurück

Von Benedict M. Mülder

Berlin (taz) - Er war ausgezogen, um Berlin zu zeigen, wie man billig und doch gut bauen kann. Seit Dienstag steht der Münchner Baubetreuer Bernd Bertram (43) indes als schwergewichtiger Wirtschaftskrimineller vor einem Berliner Gericht. Der „raschen Auffassungsgabe“ des heutigen CDU–Bundestagsabgeordneten Lummer will es Bertram zu verdanken haben, daß er vor Jahren überhaupt im Märkischen Sand bauen konnte. Mit Lummer, so plauderte Bertram gegenüber den Ermittlern aus, war er sich einig, „daß Berlin unter der Käseglocke einer Baumafia liegt, die im sozialen Wohnungsbau unzählige Millionen verdient“. Beide wollten diese Glocke mit der Brechstange heben, auch wenn es einigen Gestank verursachen würde. Dafür bekam Bertram sogar die Unterstützung von CSU–Chef Franz Josef Strauß. Gestank hat es dann 1982 tatsächlich gegeben. Nicht nur weil Bertram mit einem „sensationell niedrigem Angebot“ um 20 Prozent unter dem üblichen Niveau lag und den Preisbrecher auf dem Baumarkt spielte, sondern auch wegen seiner Bereitschaft, einem über 100–Millionen–Mark–Projekt mit lukrativen Zuwendungen auf die Sprünge zu helfen. In einer 500 Seiten starken Anklageschrift hat die Staatsanwaltschaft dank des geständigen Angeklagten Vergehen wie Bestechung, Untreue und Betrug zusammengetragen. Der machte am Dienstag keinen Hehl daraus, daß er 1983 dem „völlig unterbezahlten“ Ex–Geschäftsführer der gemeinnützigen Wohnungsbaugesellschaft „Stadt und Land“, Blasek (SPD), 260.000 Mark übergeben und nochmals eine Million in Aussicht gestellt hat. Überrascht zeigte sich Bertram über die „Dreistigkeit“, mit der damals ein inzwischen verurteilter Referatsleiter von ihm „übliche Einführungsgeschenke“ verlangt habe. Ein seit längerem inhaftierter Ex–Staatssekretär aus dem Finanzressort, Günter Schackow (CDU), ging ebenfalls nicht leer aus. Bertram verschaffte ihm das Nutzungsrecht über ein gemeinsames Ferienhaus in Österreich, finanzierte den Kauf wertvoller Brillantringe in Antwerpen und stellte dem bis dahin unbescholtenen Spitzenpolitiker für ein anderes Bauprojekt noch einmal drei Millionen Mark in Aussicht. Nach den Ermittlungen zweigte Bertram die Gelder aus „ungerechtfertigten Provisionen“ in Höhe von über zehn Millionen Mark ab. Während die Staatsanwaltschaft meint, er hätte die von der Augsburger Baufirma WTB gezahlten Provisionen aufdecken und abführen müssen, bezeich nete sich Bertram als Generalübernehmer, der seine „Verdienstspannen selbst bestimmen darf“. Inwieweit der ehemalige Kampfflieger der Nationalen Volksarmee, der 1972 in den Westen floh, sich auch um die Verdienste eines anderen Referatsleiters in der Bauverwaltung, Hans Manzke (54), kümmerte, blieb am Dienstag in der Schwebe. Manzke bestritt in dem am gleichen Tag begonnenen Prozeß, von Bertram 9.000 Mark erhalten zu haben. Eine Aktentasche im Werte von 800 Mark will er ebenfalls nicht gefordert, sondern als Geburtstagsgeschenk in „Anerkennung der guten Zusammenarbeit“ erhalten haben.