Bruderzwist an der Piratenküste

■ Palastrevolte im Emirat Sharjah (Vereinigte Arabische Emirate) / Sheikh Abdul Aziz stürzt seinen Bruder Ibn Mohammad / Der Machtkampf war am Donnerstag noch nicht entschieden

Aus Manama William Hart

Sheikh Sultan Ibn Mohammad Al Qassimi von Sharjah ist am Mittwoch vom Rat der Familie, die die 200.000 Einwohner des Scheichtums beherrschen, gestürzt worden. Sein 48jähriger Bruder Sheikh Abdul Aziz wurde zum neuen Staatsoberhaupt von Sharjah, dem drittgrößten der sieben Scheichtümer, die die Vereinigten Arabischen Emirate bilden, ernannt. Aber auch noch 24 Stunden nach dem Herrscherwechsel war ungeklärt, wer das Scheichtum nun eigentlich regieren wird. Die Unklarheiten entstanden, weil der Oberste Rat der Vereinigten Arabischen Emirate, in dem die Herrscher der sieben Scheichtümer die Richtlinien der Politik des Ölstaates am Golf festlegen, den Führungswechsel noch nicht abgesegnet hat. In diesem Rat haben Dubai und Abu Dhabi, die beiden Großen in der Konföderation, jeweils ein Vetorecht. Dubai unterstützt den alten Herrscher. Sheikh Sultan hat seine Ferien in seiner Villa in Südengland unterbrochen und ist nach Dubai geflogen. Dort versuchte er gestern auf den Obersten Rat des Golfstaates einzuwirken, ihn in seiner Funktion als Herrscher zu bestätigen. Sein Bruder hat als Oberkommandierender der Streitkräfte erst einmal eine stärkere Position, da er auch von der Familie gestützt wird. Dem bisherigen Herrscher wurde vorgeworfen, die Ölmilliarden nicht richtig angelegt zu haben. Die Emirate am Golf, die früher Piratenküste genannt wurden, haben das höchste Pro–Kopf– Einkommen der Welt. Nach der zweiten Ölpreissteigerung Ende der siebziger Jahre hat es im Lande einen gewaltigen Bau–Boom gegeben. 70 Prozent der Bewohner der Emirate sind Ausländer. Der Rückgang der Ölpreise, der Dollarpreisverfall und die freiwillige Einschränkung der Ölexporte haben aber auch die Emirate in finanzielle Probleme gebracht. Selbst wenn der Machtwechsel in Sharjah allein wegen der Haushaltspolitik oder, was wohl eher den Kern treffen würde, wegen der Verschwendung Sheikh Sultans erfolgte, so hat er starke politische Implikationen für die gesamte Golfregion. Iran versucht seit einem Jahr, die Einheit der Staaten des Golfkooperationsrates zu schwächen. Dabei hatte Teheran bei den kleineren Staaten auch Erfolge. So verhandelten Teheraner Delegationen auch mehrfach direkt mit den einzelnen Scheichtümern. Vor diesem Hintergrund dürfte auch der Versuch der Führung des Gesamtstaates gesehen werden, den Machtkampf mit einem Kompromiß zu beenden. Bis zum Donnerstag abend war aber noch keine Einigung in Sicht.