Kopfgeburten einer „Neuen Frau“

■ Zu B. Sichtermanns Beiträgen einer „Ökonomie der Emanzipation“

Ihren Aufsatz „Der Feminismus der CDU“, eine interessante Analyse konservativer Frauenpolitik, einmal ausgenommen, schreibt sie eigentlich immer das gleiche, die Barbara Sichtermann in ihrem neuen Buch „FrauenArbeit“. In einer Reihe von neun Beiträgen behandeln sieben unter dem Stichwort „Ökonomie der Emanzipation“ die Fleischwerdung des Typus „Neue Frau“. Es geht um jene Frauen, die angefangen haben, die erkämpften Rechte und die neuen Möglichkeiten zu nutzen. Ort der Handlung: der Arbeitsmarkt. „Wie keine andere Institution befördert der Arbeitsmarkt die Emanzipation der Frauen, und er ist zugleich der Ort, an dem sich zeigt, wie arm sie noch dran sind.“ Sehe Frau sich heute an, was arbeitende Frauen „tun und aushalten“, könne sie am ehesten ermessen, welche gesellschaftlichen Veränderungen insgesamt angesagt seien, meint Sichtermann. Ihre These: Wenn Frauen heutzutage aus dem geschrumpften Haushalt der Kleinfamilie auf den Arbeitsmarkt drängen, bringen sie durch ihre historischen Erfahrungen mit der (Frauen)Arbeit im Haus Erinnerung an und Hoffnungen auf weniger entfremdete Arbeit auch außer Haus mit. Die bis heute durch den kapitalistischen Akkumulationsprozeß geprägte Arbeit Außen ändert sich und wird sich grundlegend ändern, wenn es gelingt, die Geschlechtsspezifik der beiden Arbeitsbereiche aufzuheben. Diese These, die sie gleich im ersten Aufsatz entwickelt, variiert Sichtermann im Folgenden in alle möglichen und, wie ich meine, allzu gängige Richtungen. Sie bedient sich aller möglichen Lebensentwürfe alternativer Provenienz und erreicht damit eher, daß sie zum Klischee erstarren, statt sie in die Nähe des Machbaren zu rücken: Arbeitszeitverkürzungen Lohn für gleiche Arbeit und so fort. Das alles natürlich für Frauen und Männer. Gut - Wünsche und Hoffnungen einer gebildeten, ökonomisch unabhängigen, geselligen und erfolgreichen Mittelstandsfrau, die für ihre eigene Schicht in Anspruch nimmt, Vorreiterfunktionen bei der Entwicklung neuer Lebensformen zu erfüllen. Da finden sich außerdem einige äußerst vage, eher psychologisch angelegte denn ökonomisch fundierte Tips zur Existenzgründung, zum Geschäftsfrauendasein und der damit verbundenen Kreditaufnahme sowie das eine oder andere Histörchen. Keineswegs aber liefert Sichtermann überzeugende Belege dafür, daß das neue ökonomische Selbstbewußtsein bestimmter Frauen auch gesellschaftliche Veränderungen nach sich ziehen wird. Nach dem Motto „Wir wollen doch alle eine bessere Welt“ argumentiert sie bestenfalls als Humanistin. Der tatsächliche Wandel der Arbeitsbedingungen und Abhängigkeitsverhältnisse liefert zur Zeit - ganz entgegen Sichtermanns Prognosen - handfeste Belege über die wachsende Zahl der Ein–Personen–Haushalte, weil zwei oder mehrere, mit gewissen Ansprüchen arbeitsuchende oder arbeitende Menschen kaum noch an einem einzigen Ort auf ihr Arbeitsglück hoffen dürfen. Und dann heißt es: sich trennen, um zu arbeiten. Das aber, versichert die Autorin mit übrigens durchgängig überstrapazierter Sprachakrobatik, sei nicht gut - nicht für Frauen und nicht für Männer. Am Ende kann ich mich des Eindrucks nicht erwehren, daß über Sichtermanns Aufsätzen zur FrauenArbeit mit dem großartigen Untertitel „Über wechselnde Tätigkeiten und die Ökonomie der Emanzipation“, der ein umfängliches analytisches Vorhaben andeutet, statt dessen das unsichtbare Motto steht: Wenn frau sich etwas fest wünscht, geht es auch in Erfüllung. Bettina Markmeyer Barbara Sichtermann. FrauenArbeit. Über wechselnde Tätigkeiten und die Ökonomie der Emanzipation. Wagenbach Verlag. Berlin 1987. 14 Mark.