Entsetzen in Spanien über Kaufhausanschlag

■ 17 Todesopfer und 37 Verletzte in Barcelona / Urheber ist wahrscheinlich die ETA / Demonstrationen und Protest in Katalonien / Heftige Kritik an der Unfähigkeit der Verantwortlichen / Herri Batasuna verurteilt zum ersten Mal mutmaßlichen ETA–Anschlag

Aus Madrid Jasmin Tan

Die Explosion einer Autobombe im Kaufhaus eines Arbeiterviertels in Barcelona, die am vergangenen Freitag 17 Todesopfer und 37 teilweise lebensgefährlich Verletzte forderte, wurde in Spanien mit Bestürzung aufgenommen. Selbst diejenigen, die mit der baskischen Guerilla–Organisa tion ETA, die mit hoher Wahrscheinlichkeit für den Anschlag verantwortich ist, sympathisieren, reagieren mit unmißverständlicher Ablehnung. Herri Batasuna, der politische Arm der ETA, hat zum ersten Mal in einer öffentlichen Stellungnahme die neuen Praktiken heftig kritisiert. In Tarragona, wo die ETA erst vor einer Woche einen Anschlag auf eine Ölraffinerie verübt hatte, gingen mehrere 10.000 Menschen am Freitag abend aus Protest gegen die Anschläge auf die Straße. Am gestrigen Sonntag demonstrierten Tausende im Barceloner Stadtviertel San Andres, wo die Bombe hochging. Alle im katalanischen Parlament vertretenen Parteien haben für heute zu einer Demonstration gegen den Terrorismus aufgerufen. Es ist das erste Mal, daß ein Anschlag der ETA unschuldige Opfer trifft. Bislang hatten sich die Anschläge zumeist gegen Angehörige der Guardia Civil oder anderer Vertreter des spanischen Staats gerichtet. Die Autobombe, die auf dem Kundenparkplatz im zweiten Untergeschoß des Kaufhauses Hypercor abgestellt war, explodierte am Freitag um 16.12 Uhr, zu einer Zeit, als reger Betrieb herrschte. Eine Stunde vor der Explosion erhielt die Polizei einen anonymen Anruf, der im Namen der ETA den bevorstehenden Anschlag ankündigte. Telephonisch benachrichtig wurde auch die in Barcelona erscheinende Tageszeitung Avui mit dem Hinweis, sowohl die Polizei, als auch die Direktion des Kaufhauses seien unterrichtet. Zwei Sprengstoffspezialisten der nationalen Polizei und einige Wächter durchsuchten daraufhin erfolglos das Gebäude. In der trügerischen Hoffnung, es handle sich um einen falschen Alarm, gaben sie die Suche schließlich auf. Man hielt es nicht einmal für notwendig, das Gebäude zu räumen. Heftige Kritik wird nun an der Unfähigkeit der Polizei und der Verantwortlichen, letztendlich des Innenministers Barrionucvo geübt. Angehörige der Opfer wollen gegen die Verantwortlichen klagen. Staatspräsident Felipe Gonzalez, der vorzeitig von einem Brasilienbesuch zurückkehrte, berief am Samstag eine Dringlichkeitssitzung ein. Gonzales erklärte der ETA vor Journalisten den „Kalten Krieg“. Alle politischen Parteien, auch die baskischen und katalanischen Nationalisten, verurteilten den Anschlag. Daß selbst die der ETA nahestehende Herri Batasuna zum ersten Mal eindeutig Stellung gegen die ETA bezog und diese Art der militanten Aktion als „Risiko für die Zivilbevölkerung“ verurteilte, dokumentiert den Druck und die Ablehnung, die durch diesen Anschlag in der Öffentlichkeit ausgelöst wurden. Herri Batasuna, für die bei den Wahlen fürs Europaparlament immerhin 40.000 Katalanen ihre Stimme abgaben, muß Farbe bekennen, um nicht im parlamentarischen Abseits zu landen und die Sympathie der linken Protestwähler zu verlieren.