Ein politischer Ort

■ Zum Kirchentag in Frankfurt

Auf dem Frankfurter Kirchentag sind Dinge möglich gewesen, die längst anstehen. Hier mußte sich der Bauernpräsident von Heeremann zum ersten Mal der Grünen– Agrarexpertin Antje Vollmer stellen. Hier deutete die Frau des ermordeten von Braunmühl an, daß sie Gefangene der RAF besuchen werde. Oder: 8.000 aufmerksame Zuhörer, darunten Frau Hamm–Brücher und der Bundespräsident, bei einer Bibelstunde einer Grünen–Abgeordneten. Obwohl dieser Kirchentag weit weniger als andere vorher unter dem Zeichen einer innerpolitischen Kontroverse stand, hatte er noch mehr Zulauf. Der Kirchentag war weniger argumentatives Exerzierfeld der Opposition, es fand eher eine Emanzipation von der herrschenden Politik statt. Die wichtigste unformulierte Botschaft war vielleicht: Ohne eine Kultur des Zuhörens gibt es keine wirkliche Auseinandersetzung. Der Reichtum solcher Ereignisse reflektiert die Armut de ein hohes Interesse an prinzipieller Veränderung von der wirklichen „Wende“ unserer Verhältnisse. Keine parteipolitische Gruppierung ist gegenwärtig sichtbar, die Politik der Mehrheit, eine Politik, die die Parteien–Grenzen überschreitet, auflöst und auf die tatsächliche Polarisierung der Leute antwortet. Insofern ist der Kirchentag der politische Ort hierzulande gewesen. Klaus Hartung