Q U E R S P A L T E Reif für die Insel

■ Olympiade in Berlin?

Berlin sein heißt Rapunzel sein“, sagte Wolfgang Neuss vor 20 Jahren. Und wirklich: Die Verwalter der Stadt lassen in unregelmäßigen Abständen die ältesten Zöpfe herunter, um lauthals „Zieht Euch hoch!“ zu brüllen. Neuester Abschnitt in der Chronologie des laufenden Schwachsinns ist, mitten in den bombastischen Lächerlichkeiten der 750–Jahr– Feier, der Vorschlag von Diepgen & Konsorten, 1988 für Seoul als Austragungsort der Olympischen Spiele einzuspringen. Westberlin besitze, so Diepgen ideale Sportstätten. Daß es auch „hervorragende Quartiere für die Sportler“ gibt, ist in der Tat unbestreitbar: Die Neubauklotz– Quartiere im Märkischen Viertel und Gropiusstadt (West) werden komplett geräumt und mit Sportlern gestopft. Trotz der rundum begeisternden Möglichkeiten wird es im olympischen Berlin zu einem bisher nie dagewesenen Zusammenbruch der Infrastruktur kommen: U–Bahn–Gedränge von Tokio–Format, Staus und Massenkarambolagen auf der Stadtautobahn, schweres Nervenfieber an den Transit–Nadelören. Mit Konsequenz und Insulaner–Radikalität ist das Problem zu lösen: Sämtliche Berliner werden evakuiert (auch die Schwaben), der Senat pachtet Mallorca - und ganz Westberlin döst bei vollem Einkommensausgleich im Süden, während sich zu Hause die Gästemassen rempeln. Eine Chance allerdings würde dem Senat durch dieses Modell entgehen: Beim Seoul–Berlin–Vergleich sagte der Geschäftsführer des NOK, auch in Berlin habe es vor wenigen Tagen „außerordentlich schwere Ausschreitungen gegeben“. Die polizeiliche Endlösung der Kreuzbergfrage wird - man kann nicht alles haben - unmöglich, weil die Autonomen ebenfalls in der Senats– Pacht–Sonne braten. Klaus Nothnagel