Kurdenguerilla bekennt sich zu Massenmord

■ PKK erklärt Überfall auf ein kurdisches Dorf in der Türkei als Bestrafung von Kollaborateuren / 31 Bewohner getötet / Heftige Reaktionen im türkischen Parlament / Evren: „Der Beschluß des Europäischen Parlaments hat Wirkung gezeigt“ / Evren erwägt NATO–Austritt

Von Ö. Seven u. L. Rangel

Istanbul (taz) - „Vater, rette uns! Sie töten uns!“ Ich hörte den Aufschrei der Kinder. Ich konnte nicht ins Haus. Sie schossen. Meine sechs Kinder und meine Frau haben sie ermordet.“ So schildert der Dorfmilizionär Seyhmus Yavuz das Massaker in dem kurdischen Dorf Pinarcik in der Provinz Mardin im Südosten der Türkei. Verantwortlich für den Anschlag, bei dem am vergangenen Samstag 31 Dorfbewohner getötet wurden, darunter 16 Kinder und sechs Frauen, zeichnet die „Kurdische Volksbefreiungsarmee“ ARGK, der bewaffnete Arm der „Kurdischen Arbeiterpartei“ PKK. Rund 60 Personen waren Samstag nacht mit Maschinenpistolen und Granaten bewaffnet in das Dorf eingedrungen und hatten den Dorfvorsteher, Dorfmilizionäre sowie deren Familien getötet. Seit geraumer Zeit sind nicht nur türkische Armeeangehörige Zielscheibe der PKK–Anschläge, sondern ebenfalls kurdische Dorfbewohner, die den kurdischen Dorfmilizen angehören und Waffen vom türkischen Staat beziehen. Bereits im Februar wurden bei einem Massaker im Dorf Tasdelen in der Provinz Hakkari im Februar wurden 14 Dorfbewohner getötet, darunter neun Frauen und Kinder. Im Ja nuar waren in einem Dorf in der Provinz Mardin zehn Menschen getötet worden, davon acht Kinder. Die PKK erklärte dazu später lapidar: „Am 23. Januar 1987 haben unsere Befreiungskräfte in dem kleinen Dorf Basyurt bei Mardin/Midyat einen Angriff gegen Verräter–Milizbanden verwirklicht.“ Diesmal hinterließen die Guerilleros ein Flugblatt im Dorf, auf dem zu lesen stand: „Feinde Kurdistans und der Kurden, Knechte der faschistischen türkischen Ausbeuter, Agenten, Milizionäre und Banditenanführer! Keiner von euch kann sich vor den Kugeln der Volksbefreiungsarmee retten. Ergebt euch der kurdischen Volksbefreiungs armee, bittet das Volk um Vergebung, legt Rechenschaft über eure Verbrechen ab. Kurdische Volksbefreiungsarmee ARGK.“ Nach Bekanntwerden des Massakers in der Provinz Mardin bezichtigten die Oppositionsparteien im Parlament und weite Teile der Presse die Regierung der Unfähigkeit. Der sozialdemokratische Ex–Premier Bülent Ecevit betonte, die Ereignisse seien eine Bankrotterklärung für die ideologische Begründung des Militärregimes, welches mit dem Versprechen, „Ruhe und Ordnung“ zu schaffen, 1980 angetreten ist. Der konservative Ex–Premier Süleyman Demirel verwies ebenfalls darauf, daß in dem Gebiet seit acht Jahren Kriegsrecht herrscht und kein einziges Problem gelöst sei. Fortsetzung auf Seite 6