ALKEM–Vorabgenehmigungen illegal

■ Hanauer Landgericht hält die umstrittenen Vorabgenehmigungen für die Plutoniumfabrik ALKEM für „nichtig“ / Bundesumweltminister Töpfer fordert von seinem hessischen Kollegen Weimar „Konsequenzen“

Von K.–P. Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Bundesumweltminister Klaus Töpfer (CDU) hat in einem der Frankfurter Rundschau vorliegenden Brief seinem hessischen Partei– und Amtskollegen Karlheinz Weimar mitgeteilt, die Große Strafkammer des Landgerichts in Hanau sei zu der Auffassung gelangt, daß die rechtlich umstrittenen Vorabgenehmigungen für die Plutoniumfabrik ALKEM „nichtig“ seien. Die Große Strafkammer, die im August die Hauptverhandlung gegen zwei ALKEM–Manager und drei hessische Ministerialbeamte eröffnen wird, habe damit bestätigt, daß die Hanauer Nuklearbetriebe „jeglicher Rechts– und Gesetzesgrundlage“ entbehrten, meinte der Fraktionsvorsitzende der hessischen Grünen, Joschka Fischer, in einer ersten Stellungnahme. In der Tat arbeitet die Plutoniumfabrik - nach der dritten Novelle zum Atomgesetz 1976 - seit mehr als zehn Jahren auf der Basis dieser Vorabgenehmigungen, die ihr unter Umgehung des geänderten Gesetzes von den Wirtschaftsministern der letzten drei hessischen Landesregierungen erteilt worden waren. Noch kurz nach seinem Amtsantritt sprach sich auch der neue Umwelt– und Reaktorminister Weimar vor dem Landtag unmißverständlich dafür aus, an der Praxis dieser Vorabgenehmigungen festzuhalten, wenn dadurch der Sicherheitsstandard verbessert würde. Mit der jetzt öffentlich gewordenen Rechtsauffassung des Landgerichts, so Joschka Fischer, verdichte sich der Anschein zum Beweis, „daß die Vorabzustimmungen zum Betrieb der Atomanlagen einer freien Rechtsschöpfung entspringen“ würden. Umwelt– und Reaktorminister Weimar habe nun unverzüglich die Konzequenzen zu ziehen und die Plutoniumfabrik ALKEM stillzulegen. Ansonsten gerate er unweigerlich in die „Kontinuität seiner Vorgänger“, die allesamt beständig „mit einem Bein auf der Anklagebank und mit dem andern im Sumpf der Hanauer Nuklearbetriebe“ stünden. Auch Bundesumweltminister Töpfer fordert von Weimar die „Benennung von Konsequenzen“, die sich aus der Nichtigkeit der Vorabzustimmungen für ALKEM ergeben. Auf Nachfrage der taz teilte der Pressereferent des Hanauer Landgerichts, Dr. Dörig, mit, daß das Landgericht bereits bei seiner Entscheidung über die Eröffnung des Hauptverfahrens die Rechtsauffassung der Staatsanwaltschaft für schlüssig gehalten habe, wonach die Vorabzustimmungen als „nichtig“ zu betrachten seien. „Sonst hätten wir das Verfahren doch gar nicht erst eröffnet“. Im übrigen sei ihm nicht bekannt, von welchem Verfahrensbeteiligten der Bundesumweltminister über die Rechtsauffassung des Gerichts unterrichtet worden sei. Dörig: „Eine förmliche Anfrage des Bundesumweltministers lag bei uns nicht vor.“