Serie Bauern und EG (9)
: Hafenausbau für Chile–Fischmehl

■ BUKO–Aktionstage gegen EG–Agrarpolitik: Blockade in Brake / Größte Futtermittelimport–Zentrale / Mitverantwortung für Hunger in der Dritten Welt

Die höchsten Erhebungen im platten Landkreis Wesermarsch zwischen Oldenburg und Nordsee sind die Industrieanlagen in den kleinen Hafenstädten entlang der Unterweser. An der höchsten von ihnen ist die Kreisstadt Brake schon von weitem zu erkennen. Es ist der Koloß des Getreide– und Futtermittelsilos der Firma J. Müller direkt an der Südkaje des Braker Hafens. Mit seinen mehr als neunzig Metern überragt der Speicher deutlich den berüchtigten Chemie–Betrieb Kronos–Titan in Nordenham und das nahegelegene AKW Esenhamm. Mit seinen über 100.000 Tonnen Lagerkapazität ist es seit seiner Einweihung 1979 und der Erweiterung im letzten Jahr das größte Silo Europas. Das kleine Städtchen besitzt einen der wichtigsten Importhäfen für Futtermittel und Getreide in der BRD. Als am Mittwoch in Hannover die Fachausstellung „Huhn und Schwein“ eröffnet wurde, bloc kierten hier ein Dutzend Wesermarsch–Bauern und etwa doppelt so viele Aktivistinnen vom Bundeskongreß entwicklungspolitischer Aktionsgruppen (BUKO) für kurze Zeit gemeinsam die Einfahrt zum Riesensilo - eine kleine, aber medienwirksame Aktion gegen die EG–Agrarpolitik. „Für die internationalen Konzerne des Agro–Business sind Futtermittel–Importe ein lohnendes Geschäft, doch für die Menschen in den Exportregionen Brasiliens bedeutet der Futtermittelanbau Hunger und Armut“, sagt Winfried Scheewe von der BUKO– Koordination gegen die Futtermittelimporte, und Josef Jacobi von der Arbeitsgemeinschaft Bäuerliche Landwirtschaft fügt hinzu: „Hier werden wir durch das billige Futter aus der USA und der Dritten Welt kaputtgemacht, und dort leiden die Erzeuger.“ Der Wesermarschbauer Gerd Coldewei rechnet grob vor, daß mit einem Kilo Kraftfutter fast die dreifache Menge Milch erzeugt werden kann wie mit einem Kilo Heu - Heu und Silage, die im nassen Marschenland produziert werden, finden folglich kaum noch Abnehmer. Deshalb sind die Bauern hier besonders von den Konzentrationsprozessen in der Landwirtschaft, von Milchkontingentierung und Flächenstillegung betroffen. „Museumsdörfer und Hafenausbau!“, faßt Coldewei die landwirtschaftliche Perspektive in der Wesermarsch zusammen. Die Hafenvertiefung in Brake steht kurz vor dem Abschluß. Mit ihren 38 Fuß Tiefgang können dann die Schiffe der „Panamax“–Klasse, die die Futtermittel und das Getreide aus Übersee bringen, direkt in Brake anlegen und müssen nicht erst in Nordenham kostspielig um zwei Fuß „geleichtert“ werden. Im südlichen Teil des Braker Hafens werden Jahr für Jahr etwa 1,2 Millionen Tonnen Futtermittel angelandet: 350.000 Tonnen Tapioka aus Thailand, 600.000 Tonnen Sojaschrot aus Brasilien, Argentinien und den USA, ferner 240.000 Tonnen Maiskeimprodukte aus Südafrika, wiederum aus Brasilien und den USA. Von Brake aus donnern die LKWs mit über sechzig Kubikmetern Laderaum zu den Mastfabriken für Schweine und Hühner südlich von Oldenburg und ins nördliche Münsterland. Der Löwenanteil, mehr als 80 Prozent, wird jedoch in Waggons geblasen und rollt auf Zügen in die regionale Mischfutterindustrie und in die Kraftfutterwerke nach Süddeutschland. Hinzu kommen noch jährlich 470.000 Tonnen Fischmehl aus Chile und Peru, die am nördlichen Hafenende angelandet werden, von Getreide und Futtermitteln wegen des Gestanks und der Salmonellengefahr deutlich getrennt. Nach Brake kommen nahezu alle Fischmehlimporte in die BRD und werden hier direkt in kleinere Schiffe gebaggert, die das hochproteinhaltige Schüttgut in die Verarbeitungsfabriken weitertransportieren. Gegenüber den 28 Millionen Tonnen Futtermittel und Getreide, die die EG pro Jahr aus Übersee importiert, und den 18 Millionen Tonnen, die davon in Rotterdam umgeschlagen werden, nehmen sich die insgesamt 2,5 Millionen Tonnen der drei Unterweserhäfen Brake, Nordenham und Bremen vergleichsweise bescheiden aus. Doch sie bilden immer noch ein Viertel der bundesdeutschen Gesamtimporte. Den Umschlag in Brake teilen sich zwei Firmen: das konzernunabhängige Privatunternehmen J. Müller, dem auch das Riesensilo gehört, hat in Brake fast 400 Beschäftigte und einen Löschanteil von zwei Dritteln; das restliche Drittel entfällt auf die Karl Gross Silo GmbH, an der die senatseigene Bremer Lagerhaus–Gesellschaft (BLG) seit Ende der siebziger Jahre, als sich das Geschäft mit der Massenaufzucht durchsetzte, einen 51–Prozent–Anteil hält. Die BLG löscht zugleich das Gros in Nordenham und Bremen. Die größte Scheibe am Gewinn schneiden sich jedoch die Importeure ab, die weltweit operierenden und äußerst verschwiegenen Hamburger Handelshäuser, allen voran Alfred C. Toepfer International; aus Bremen ist nur noch die Firma Kurt A. Becher, die jetzt zum US– Multi ConAgra gehört, mit nennenswertem Marktanteil vertreten. Die ständigen Siloerweiterungen in Brake (auf mittlerweile über 200.000 Tonnen) und in der Region dienen kaum noch den Importsteigerungen - Experten gehen davon aus, daß der Futtermittelumsatz in der EG mittelfristig stagnieren wird. In den Hallen wird ein Drittel des bundesdeutschen „Interventionsgetreides“ eingelagert, das der Bund auf dem Binnenmarkt aufkauft, um die Preise hochzuhalten. Das wird dann unter Weltmarktniveau etwa an die Sowjetunion weiterverkauft. Opfer wiederum: die nichtsubventionierten, exportabhängigen Getreidebauern in der Dritten Welt. Da kann man mal sehen, wer die taz–Wirtschaftsseite stets aufmerksam liest - und wer nicht! Konnten doch einige Rätselfreunde mit dem Lösungswort „Herrhausen“ nichts anfangen (Rätsel vom 6.6.), dem smarten Vorstandssprecher der Deutschen Bank (“ wasn das?“ war da doch der Tenor einiger - richtiger - Zuschriften). Immerhin war dies doch auch der Beweiß, daß die Rätselfreunde alle Buchstaben herausbekommen haben. Die Lösung „Herbrausen“ können wir natürlich nicht anerkennen, bei „Herr Hausen“ ist das schon schwieriger. Die Rätsellösungen des Geburtstagsrätsels vom 13.6. zeigen uns wiederum, wie weit wir es gebracht haben in unserer Zeit. Da haben doch einige der exakt 150 richtigen Einsender gemeint, als Lösungswort „Radio Dreyeckland“ angeben zu müssen, obwohl für das Radio gar keine Lösungsbuchstaben da waren. Das Land gabs schon, Freunde, da hat es noch kein Radio gegeben. Hier handelt es sich offenbar um die Generation, die im Kindesalter dachte, Taunus ist ein Auto. Das Lösungswort für das heutige Rätsel ergibt sich, wenn wir die Buchstaben, die in die Kästchen mit dem gesonderten Qadrat gehören, der Reihe nach auf eine Postkarte schreiben, die wir bis zum 11.7. an die taz–Wirtschaftsredaktion, Wattstr. 11–12, 1000 Berlin 65 schicken. Wenn wir dann noch Glück haben, sind wir einer der zwei Glücklichen Gewinner des Buches DIE GROSSE VERGEUDUNG - IST DIE MARKTWIRTSCHAFT NOCH ZU RETTEN? VON WINFRIED SCHWARZ, PAHL–RUGENSTEIN– VERLAG, 287 S. Rechtsweg wäre hier reine Vergeudung und bleibt daher ausgeschlossen.