Ost–Berliner Kirchentag mit ökologischen Nischen

■ Einreiseverbote für Teilnehmer aus anderen DDR–Städten wurden wieder aufgehoben / Positive Berichterstattung in den DDR–Medien / Gutbesuchte Diskussionsveranstaltungen / Großer Unmut über verfehlte Umweltpolitik beim Forum „Frieden und Umwelt“

Aus Ost–Berlin Rita Hermanns

Teilnehmer aus anderen DDR– Städten, die zum Kirchentag nach Berlin (Ost) einreisen wollten, seien inzwischen in der Hauptstadt eingetroffen, hieß es am Freitag in Ost–Berlin. Offenbar will man von offizieller Seite den Kirchentag so reibungslos wie möglich verstreichen lassen. Ein Indiz dafür ist auch die sehr wollwollende Berichterstattung in den DDR–Medien. Gar nicht wohl wollend gegenüber Staat und Behörden zeigten sich dagegen die etwa 200 Teilnehmer des Forums „Frieden und Umwelt“. Lebhaft und engagiert diskutierten vorwiegend junge, aber auch eine Gruppe älterer Menschen im häßlichen Industriebezirk Oberschöneweide über Probleme des Umweltschutzes. Es müsse endlich mal Schluß sein mit der Priorität der Produktion vor dem Umweltschutz, war die allgemeine Tendenz der Beiträge aus dem Publikum. Die DDR–Presse habe das Thema Ökologie überhaupt noch nicht entdeckt, wurde moniert. „Wir kommen nicht um die Reduzierung des Wachstums herum!“ hieß es unter Beifall des Saales. Als christlichen Auftrag zur Erhaltung der Schöpfung sah ein bundesdeutscher Vertreter die Ökologie an und mahnte gerade Christen zu mehr Engagement. „Das habe ich bei Karl Marx gelernt“, meinte dagegen ein DDR– Bürger. Der Mensch, so lehre der nämlich, müsse die von ihm geschaffene Produktion auch beherrschen können. Beifall, Zustimmung, eine rege Teilnehme und ständige Wortmeldungen zeigen, wie sehr das Problem zumindest diesem Publikum auf den Nägeln brennt. Ein älterer „Bürger von Oberschöneweide“ schildert eindriglich, wie schlimm die Zustände in seinem Bezirk sind. Mindestens 60 Fabrikschlote schwärzen den Stadtteil ein, Ärzte raten Familien mit Kleinkindern wegzuziehen. „Filter, ich glaube, die gibt es gar nicht!“ rief er verzeifelt und erntete damit langen Beifall. „Vor einigen Jahren wäre das hier nicht möglich gewesen“, kommentierte ein Besucher nach der Veranstaltung. Nicht für möglich gehalten hatten viele Kirchentagsbesucher auch, daß eine Umwelt–Ausstellung mit Bildern aus Schöneweide, darunter Fotos und Texte von dem bei den DDR–Behörden mißliebigen Fotografen Hauswald und dem Schriftsteller Rathenow, ohne staatliche Intervention durchgeführt werden konnte. Besonders die diversen Ausstellungen waren vor dem Kirchentag von den Staatsorganen „besucht“ worden, wie es die Kirchenleitung nannte. Nichtgeladenen Besuch erhielten diejenigen Ausstellungen, die sich nicht auf unmittelbar kirchliche Themen beschränken. So wurde z.B. auch eine Ausstellung zum Thema Frieden kritisch beäugt.