Nicht mehr sanft und duldsam

■ Ob Frauenhäuser, Beratungsstellen oder Kampagnen gegen Prostitutionstourismus - thailändische Frauen wehren sich zunehmend gegen ihre „Vermarktung“ / Im Vordergrund stehen Aufklärung und praktische Hilfe

Von Gunhild Schöller

Manchmal schlägt die Thai zurück. So heftig, daß ihr Ehemann verletzt ist - oder tot.“ Siriporn Skrobanek lacht ein bißchen, als sie von diesen Frauen erzählt, die so gar nicht dem westlichen Klischee von dem sanften, immerzu lächelnden Thai–Mädchen entsprechen. Siriporn Skrobanek ist ein Multi–Talent in Sachen Frauenpolitik. Ob im Haus für geschlagene Frauen in Bangkok oder bei Informationskampagnen gegen Prostitution und Sextourismus - überall arbeitet die agile, drahtige aber immer gelassen–ruhig bleibende Thailänderin an führender Stelle mit. Zusammen mit Susanne Lipka von der „Arbeitsgemeinschaft gegen internationale sexuelle und rassistische Ausbeutung (“agisra“) mit Sitz in Frankfurt hatte ich Gelegenheit, sie hier in der Bundesrepublik zu sprechen. „Drei solche Frauen, die ihren Ehemann in Notwehr erschlagen haben, kamen bislang zu uns ins Frauenhaus“, berichtet Siriporn Skrobanek weiter. „Wir haben dann für die erste dieser Frauen, die angeklagt und vor Gericht gestellt wurde, eine Kampagne organisiert. Wir informierten darüber, daß diese Frau sich gegen die jahrelangen Gewalttätigkeiten ihres Ehemanns nicht mehr anders zu helfen wußte - und haben einen Freispruch erzielt“, erzählt sie stolz. Sie hat auch allen Grund, auf das stolz zu sein, was thailändische Frauen in kurzer Zeit erreicht haben. Neben dem Bangkoker Frauenhaus, das allerdings nur Platz für 15 Frauen bietet, ist es vor allem die öffentliche Diskussion über Männergewalt gegen Ehefrauen, die sie initiierten und die jetzt immer weitere Kreise zieht. Schon gibt es ein Komitee gegen „häusliche Gewalt“ aus führenden Persönlichkeiten des thailändischen öffentlichen Lebens. Die Medien sind an diesem für sie „neuen Thema“ interessiert und senden Interviews mit geschlagenen Frauen. In den öffentlichen Bussen wurden statt der üblichen Werbung Aufkleber gegen Männergewalt an die Scheiben geklebt, und die Radiostationen senden Spots zu diesem Thema. Im Vergleich dazu wirkt die erste und bislang letzte public–relations– Aktion, die es in der Bundesrepublik zu diesem Thema gab - Plakate und Zeitungsanzeigen im damals noch rot–grünen Hessen - äußerst bescheiden. Praktische Hilfe Hilfe zu geben, ohne durch moralische oder ideologische Scheuklappen blockiert zu sein - das besticht an der politischen Arbeit thailändischer Frauen. Zweigleisig gehen sie in dem Bereich vor, der hierzulande schon quasi automatisch mit Thailand in Verbindung gebracht wird: Sextourismus und Prostitution. „Sex mit einem Hauch Erotik“ - das ist eine der Waren, die Thailand auf dem internationalen Markt zu Billigpreisen anbietet. „Wir unterscheiden zwischen zwei Gruppen“, erläutert Siriporn Skrobanek. „Da sind diejenigen, die offen zur Prostitution gezwungen werden, z. B. Kinder.“ In Zusammenarbeit mit der Polizei und Kinderschutzorganisationen wird ihnen geholfen, wieder aus dem Bordell herauszukommen. Au ßerdem versuchen sie gerade, ein neues Buch als Lehrmittel an allen Schulen durchzusetzen. Dieses Buch haben sie selbst entworfen - in drastischen Bildern wird da erzählt, wie ein junges Mädchen vom Lande das Märchen vom schönen Leben in der großen Stadt Bangkok glaubt und im Bordell landet. Selbstverständlich ist ihr bewußt, daß die anderen Frauen auch nicht freiwillig als Prostituierte arbeiten sondern die wirtschaftliche Not sie dazu zwingt. Dazu kommt, daß in Thailand traditionell die Frauen für die Ernährung und den Unterhalt der Familie verantwortlich sind. Die meisten Prostituierten schicken das Geld, das sie verdienen - bis auf einen kleinen Rest für sie selbst - nach Hause zur Familie auf dem Land. Dieses Wissen allein ändert aber nichts. Deshalb versucht Siriporn Skrobanek zusammen mit anderen Frauen wenigstens eine Gesundheitsfürsorge für die Prostituierten zu organisieren. In einem Informationscenter können sich Prostituierte treffen, sich beraten lassen oder einfach miteinander reden. Denn die meisten Prostituierten leben sehr isoliert. Es klingt absurd - aber in Thailand ist Prostitution offiziell verboten. Frauen, die auf dem „Strich“ ertappt werden, laufen Gefahr, im Gefängnis zu landen oder in ein „Heim“ zwangseingewiesen zu werden. Solch ein offizielles Verbot verhindert zwar nicht die Prostitution, macht dafür aber die Frauen rechtlos gegenüber Zuhältern und Freiern. Gegen Übergriffe können sie sich nicht wehren oder Anzeige erstatten - denn das, worum es geht, darf es ja nicht geben. Zur Zeit wird in Thailand ein neues Prostitutionsgesetz in den Ausschüssen des Parlaments beraten, aber Siriporn Skrobanek macht nicht den Eindruck, als wäre sie daran besonders interessiert. Gesetzestexte sind für sie relativ bedeutungslos - allein die Praxis ist für sie entscheidend. „Ein ideales Gesetz kann ich mir in diesem Bereich sowieso nicht vorstellen“, meint auch Susanne Lipka von „agisra“, die eng mit den Thailänderinnen zusammenarbeitet. Rückkehrerinnen „Selbst wenn die Deutschen wissen, daß es dieses Problem Sextourismus gibt, denken sie das ist halt das Problem von ein paar Thais“, erläutert Susanne Lipka den Bewußtseinsstand der Nation. „Die typische Haltung ist: Die Thais sind faul, wir sind fleißig, deshalb können wir uns die Flugtickets leisten und die nicht“. Die Deutschen können sich aber nicht nur ein Flugticket für sich selbst, sondern auch noch für ein „Thai– Mädchen“ leisten. Die soll hier die demütige Ehefrau sein oder im Bordell Geld ranschaffen - oder beides. Thailänderinnen, die dem Mythos vom Land, in dem „Milch und Honig fließen“ aufgesessen sind und wieder zurück in ihre Heimat wollen, werden von „agisra“ unterstützt. „agisra“ hilft z.B., das Geld für ein Ticket zu beschaffen und setzt sich mit Thailänderinnen in Verbindung, wo diese Frau - in Bangkok angekommen - ein Plätzchen findet. Die Rückkehrerinnen werden - wenn sie wollen - in die Informationsarbeit in Thailand einbezogen. „Da war z.B. eine Frau, die heiratete einen Deutschen in dem Glauben, daß sie es dann viel besser hätte. Aber ihr Ehemann entpuppte sich als Zuhälter“, erzählt Siriporn Skrobanek - ganz ruhig, so als wäre das nichts besonderes. „Sie hat es geschafft, zurückzukehren. Auf Seminaren und in Interviews hat sie dann erzählt, was sie am eigenen Leib erfahren hatte.“ Thailänderinnen, die authentisch berichten können, wie schlecht sie in Deutschland behandelt wurden, sind offenbar sehr wichtig für die Informationsarbeit. „Noch immer ist der Glaube an dieses reiche Märchenland weit verbreitet.“ Aber viele Rückkehrerinnen haben Angst vor dem Schritt in die Öffentlichkeit. Sie haben Angst vor dem Ehemann, der sie zurückhaben will, und vor den Agenten der Heiratsvermittlungen, die sie verfolgen könnten. „Man muß aufpassen“, betont Siriporn Skrobanek, „die Frauen werden in Thailand leicht auf eine andere Art vermarktet. Was sie erleben mußten, wird dann nur zu einer Story aufgeblasen.“ Sexuelle Ausbeutung als schlüpfrig–voyeuristisches Medienereignis. Das kennen wir doch. Wie weit sind sie eigentlich voneinander entfernt - Thailand und die Bundesrepublik? Wer nähere Informationen über die Arbeit von agisra bekommen (z.B. gibt es in verschiedenen Städten Arbeitsgruppen) bzw. diese unterstützen möchte: agisra e.V., Mainzer Landstr. 147, 6000 Frankfurt 1, Tel.: 069 / 739 21 52; PSchA Frankfurt, Kto.–Nr.: 17375–608