Ausstieg ist möglich

■ Berliner Forschungsgruppe erstellt auf dem „Badenwerk–Tribunal“ ein Ausstiegs–Szenario für den badischen Energie–Monopolisten

Aus Karlsruhe Rolf Gramm

Selbst für das Badenwerk mit einem Atomstromanteil von 66 Prozent ist kurzfristig ein Ausstieg aus der Atomenergie möglich. Das geht aus einem Szenario hervor, das die Berliner „Forschungsstelle für Umweltpolitik“ am Samstag auf dem Karlsruher „Badenwerk–Tribunal“ vorgestellt hat. Noch vor zehn Jahren lag nach den Ausführungen der Forschungsgruppe der Atomstromanteil des Badenwerks bei lediglich 15,8 Prozent. Inzwischen aber ist der badische Energiemonopolist beteiligt an beiden AKWs in Philippsburg und dem „Schrottreaktor“ in Obrigheim. Er bezieht Strom aus dem französischen AKW Fessenheim und besitzt Bezugsanteile des Schweizer AKW in Leibstadt und der Atomzentrale Cattenom. Die Geschäftspolitik des Badenwerks ist ausgerichtet auf eine weitere Steigerung des Atomstromanteils. Selbst der Bau des AKW in Whyl ist weiter geplant. Die anderen möglichen Energiequellen werden dagegen systematisch vernachlässigt. Die Nutzung der Wasserkraft und die Kohle als Primärenergieträger sind stark zurückgedrängt worden, hieß es in dem Szenario. Lag der Kohleanteil an der Energiebereitstellung 1981 noch bei über 50 Prozent, so war er 1985 bereits unter 20 Prozent gefallen. In der Konsequenz kann das Badenwerk seit 1985 seinen vertraglichen Verpflichtungen zur Kohleverstromung nach dem Jahrhundertvertrag nicht mehr nachkommen. 350.000 Tonnen Steinkohle wurden statt dessen 1985 und 1986 auf Halde gelegt. Kohlekraftwerkskapazitäten sind in großem Maße vorhanden, werden aber nicht ausgelastet. Das von der Berliner Forschungsgruppe erstellte Ausstiegsszenario setzt hier an. Gegenüber der taz faßte Lutz Mez von der Forschungsgruppe die Ergebnisse zusammen: „Die sogenannte optimistische Variante des Badenwerks mit zwei Prozent Stromverbrauchswachstum würde beim Abschalten der Badenwerkanteile an AKWs im Jahre 1988 dazu führen, daß die bestehenden konventionellen Kraftwerke nicht ausreichen, um den Stromverbrauch zu decken. Man müßte in einer Größenordnung von 1.000 MW Leistung von außen beziehen, die man wie in der Vergangenheit vertraglich zu sichern hätte. Aufgrund der Überkapazitäten bei RWE und VEW dürfte das keine Schwierigkeit sein. Die Annahme eines jährlich um zwei Prozent sinkenden Stromverbrauchs dagegen, also die ökologisch wünschenswerte Variante, würde dazu führen, daß das Badenwerk, wenn es zwei neue moderne Kraftwerksblöcke baut, innerhalb der nächsten zehn Jahre sogar wieder zuviel Kapazität hätte. Wenn also Stromsparen stattfindet, sei es individuell, sei es durch eine alternative Politik der Kommunen, die dann stärker auf Eigenverbrauch setzten, dann entschärft sich die Situation in einem relativ kurzfristigen Zeitraum oder mittelfristig innerhalb von fünf bis zehn Jahren.“ Daß der Ausstieg des Badenwerks nicht nur möglich, sondern auch dringend geboten erscheint, auch das wurde auf dem Tribunal ausführlich belegt. Allgemein bekannt sind die Mängel des Obrigheimer Reaktors und die Gefahren die von Cattenom ausgehen. Vertreter der Karlsruher Bürger–Initiative gegen das Kernforschungszentrum wiesen zudem auf die enorme Gefährdung hin, die von diesem Atomzentrum mit seinen Versuchsanlagen für den „Schnellen Brüter“ und für die Wiederaufarbeitungsanlage ausgeht. Michael Sailer vom Darmstädter Öko–Institut setzte sich mit den beiden Atomkraftwerken in Philippsburg auseinander und kam insbesondere für Philippsburg 1 zu dem Ergebnis, daß es aufgrund seiner „ Sparbauweise“ und der Lage im erdbebengefährdeten Oberrheingraben weit hinter den in der BRD üblichen Sicherheitsstandards herhinke. In einer Entschließung des Tribunals verurteilten die Teilnehmer die „ verantwortungslose Poltik“ des Badenwerks und forderten eine Umorientierung der Energiepolitik auf eine umweltschonende und sozialverträgliche Stromversorgungspolitik.