Friedensforum in Ost–Berlin

Ost–Berlin (taz) - Hoffnungslos verloren wirkten die Teilnehmer des Kirchentages des Evangelischen Kirche Berlin–Brandenburg. Die Arbeitsgruppen verteilen sich weiträumig auf die Gemeinden von Treptow nach Lichtenberg, vom Friedrichshain bis Oberschöneweide in Ost–Berlin. Doch am Samstagnachmittag sind sie alle auf einmal am Alexanderplatz, im Zentrum der Stadt. Viele haben Tücher um ihre Schultern geschlungen mit der Losung:“...und ich will bei euch wohnen.“ Die Arbeitsgruppen sind beendet, Tausende drängen sich zum „Friedensforum“ in der Marienkirche am Alex. Applaus bekommt die Pastorin einer Ost– Berliner Gemeinde, als sie grenzüberschreitende Begegnungen an der Basis fordert und die Frage, ob Kirchen ihren Mitgliedern den Dienst an der Waffe verbieten sollen, bejaht. In der Marienkirche war es auch, wo zum Auftakt geschickt die Unzufriedenheit mit der Kirche durch vorher abgesprochene Zwischenrufe aufgefangen wurde. Die Zwischenrufe seien zwar bestellt, erklärte die Kirche, das Dialogangebot aber durchaus ernst gemeint. Der Dialog, und zwar nicht nur der zwischen Kritikern und Leitung, sondern auch der unter den etwa 4.000 Teilnehmern - weniger als die Kirchenleitung erwartet hatte - kommt zunächst nur schwer in Gang. Das Rockkonzert am ersten Abend bei niedrigen Temperaturen auf einer feuchten Wiese bietet ein eher tristes Bild. Einige hundert Jugendliche, darunter einige Punks, viele langhaarige Männer, lauschen der holländischen „Gruppo Sportivo“ und den mehr bedeutungschwangeren als bedeutungsvollen Texten der DDR– Band „Pankow“. „Wir wollen anders sein“, heißt es da etwa und daß man die, die wirklich etwas verändern wollen, an ihren Augen erkenne. Am letzten Mittwoch– abend scheint sich niemand zu erkennen. Am Donnerstag und Freitag sind die Kirchentagsbesucher aus dem öffentlichen Stadtbild ganz verschwunden. Sie diskutieren in geschlossenen Arbeitsgruppen. Die weitaus meisten Teilnehmer, vor allem jüngere, haben sich für die Gruppe „Juden und Christen“ eingetragen; gut besucht ist auch die Arbeitsgruppe „Partnerschaft in der Familie“. Durch einige der insgesamt 37 Ausstellungen geht die Betrachterin, ohne einer Menschenseele zu begegnen. Eine der Ausstellungen verschwindet wieder im Lauf des Kirchentags. „Frieden“ war das Thema der Ausstellung, die der Gemeindekirchenrat am Freitagabend schließt, offenbar auf staatlichen Druck. Zwar war diese Ausstellung durch Vertreter des Staates vorher „abgenommen“ worden, die Berichterstattung über die Fotos in der Welt hatte dann aber dazu geführt, daß man sie absetzte. Zu sehen gewesen waren u.a. im Westen bekannte Fotos vom 17.Juni 1953, die DDR–Bewohner zum ersten Mal gezeigt wurden. Beeindruckend ist noch eine kleine Fotoausstellung, die eines der Themen behandelt, die Christen und Staat aneinandergeraten lassen: die Umwelt. Ein Rundgang durch den Stadtteil Schöneweide, bestätigt den trostlosen Eindruck, den die Fotos des Industrieviertels vermitteln. Heile Welt dagegen ist der Eindruck bei einem Ort des sogenannten „Abend der Begegnungen“, der in allen „Arbeitsgruppenzentren“ stattfindet. In einem für Berliner Verhältnisse eher kleinen Hinterhof der Samaritergemeinde des Pfarrer Eppelmann findet unter Papiergirlanden eine Art größere Familienfeier statt. Jung und alt amüsiert sich offensichtlich köstlich bei Drehorgelmusik und Schwoof. Rita Hermanns